Der dunkle Fluss
Namen aussprach, vergrößerte sich der blaue Spalt kaum merklich, und ich wusste, dass sie da war. Sie starrte mich lange Zeit an.
»Adam?«, fragte sie, und ich hörte alles, was sie empfand, die feinen Nuancen von Schmerz und Verlassenheit.
»Ich bin hier.«
Ihr Kopf rollte zur Seite; ich sollte die Tränen nicht sehen, die da dick und lautlos über ihr Gesicht kullerten. Ich richtete mich auf, damit sie mich sehen konnte, wenn sie die Augen wieder öffnete. Aber es dauerte eine Weile. Grantham trat von einem Fuß auf den anderen. Niemand sonst rührte sich.
Sie schaute mich erst wieder an, als die Tränen versiegt waren, doch als sich unsere Blicke trafen, wusste ich, dass die Tränen wiederkommen würden. Ich sah die Schlacht, die in ihr tobte, auf ihrem Gesicht und beobachtete hilflos, wie sie sie verlor. Sie hob die Arme, und ich beugte mich ihnen entgegen, als der Damm noch einmal brach und sie mich schluchzend umklammerte. Sie fühlte sich heiß an und zitterte. Ich umarmte sie, so gut es ging, und sagte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, es werde alles wieder gut werden. Sie schmiegte ihren Mund an mein Ohr und flüsterte so leise, dass ich es kaum hören konnte.
»Es tut mir leid«, sagte sie.
Ich wich zurück, damit sie mein Gesicht sehen konnte, und ich nickte, denn ich hatte keine Worte. Sie zog mich wieder zu sich herunter und hielt mich heftig zitternd fest.
Als ich aufschaute, sah ich das Gesicht meines Vaters im Fenster. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und wandte sich ab, aber ich sah noch, wie seine Finger zitterten. Dolf blickte ihm nach und schüttelte dann den Kopf, als sei er zutiefst betrübt.
Ich wandte mich wieder Grace zu und umarmte sie, als wollte ich sie verschlingen. Irgendwann driftete sie zurück in die schützende Kammer, die ihre Seele sich geschaffen hatte. Sie sagte kein Wort mehr, drehte sich einfach auf die Seite und schloss die Augen.
Die Polizisten erfuhren nichts.
Auf dem Flur rückte Grantham mir wieder auf die Pelle. »Ich glaube, wir müssen zusammen hinausgehen«, sagte er. »Warum?«
»Sie wissen, warum.« Seine Hand schloss sich um meinen Arm. Ich riss mich los, und er packte mich wieder.
»Moment mal«, sagte Dolf.
Grantham nahm sich zusammen. »Ich habe gesagt, Sie sollen mich nicht sauer machen.«
»Komm, Adam«, bat Robin. »Lass uns hinausgehen.«
»Nein.« Alles legte sich jetzt auf mich: Grace' verlorene Unschuld, das Misstrauen, das mich verfolgte, die Düsternis, die auf meiner Heimkehr lastete. »Ich gehe nirgendwohin.«
»Ich will wissen, was sie Ihnen gesagt hat.« Grantham unterließ es, mich noch einmal anzurühren. »Sie hat etwas gesagt. Ich will wissen, was.«
»Stimmt das?«, fragte Robin. »Hat sie mit dir gesprochen?«
»Frag mich nicht, Robin. Es ist nicht wichtig.«
»Wenn sie etwas gesagt hat, müssen wir wissen, was es war.«
Ich betrachtete die Gesichter um mich herum. Was Grace gesagt hatte, war für mich bestimmt gewesen, und ich hielt es nicht für nötig, andere daran teilhaben zu lassen. Aber Robin legte mir die Hand auf den Arm. »Ich habe mich für dich verbürgt, Adam. Ist dir klar, was das bedeutet?«
Ich schob mich an ihr vorbei und schaute zu Grace hinein. Sie hatte sich zusammengerollt und kehrte der Welt den Rücken zu. Noch immer spürte ich das heiße Rollen ihrer Tränen, als sie sich an mich gedrückt hatte. Ich redete mit Grantham, sah dabei jedoch meinen Vater an und sagte ihnen genau, was sie mir zugeflüstert hatte.
»Sie hat gesagt, es tut ihr leid.«
Mein Vater ließ die Schultern hängen.
»Was tut ihr leid?«, fragte Grantham.
Ich hatte ihnen die Wahrheit gesagt und ihre Worte exakt wiederholt. Grace' Entschuldigung zu interpretieren, war nicht meine Aufgabe. Also gab ich ihnen eine Erklärung, die sie akzeptieren würden, auch wenn sie gelogen war.
»Unten am Fluss hat sie gesagt, sie hasst mich. Ich nehme an, dafür wollte sie sich entschuldigen.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht. »Das war's?«, fragte er. »Das ist alles, was sie gesagt hat?«
»Das ist alles.«
Robin und Grantham schauten einander an und verständigten sich einen Moment lang wortlos. Dann sagte Robin: »Es gibt noch ein paar Fragen, über die wir gern mit dir sprechen würde. Draußen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Gern.« Ich drehte mich zum Ausgang um. Ich hatte gerade zwei Schritte getan, als ich hörte, wie mein Vater meinen Namen rief. Er hatte die Handflächen aufwärts gewandt und machte
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