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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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B. zweiundsiebzig< eingraviert ist.«
    Grantham schob die Hand in seine Jackentasche. Sie kam mit einem zusammengerollten Plastikbeutel heraus. Er ließ ihn auf der Handfläche auseinanderrollen. Der Beutel glitzerte im harten Licht, und Schlammstreifen leuchteten an der Seite. Der Ring war da: schweres Gold, ein Granat. »Ich wüsste sehr gern, was das bedeutet«, sagte Grantham.
    »Ich brauche einen Augenblick Zeit.«
    »Was immer es ist, Mr. Chase, ich schlage vor, Sie erzählen es mir.«
    »Adam?« Robin klang gekränkt, aber darüber konnte ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Ich dachte an Grace und an den Mann, der angeblich mein Freund war.
    »Das kann nicht stimmen.« Ich ließ den Film im Kopf ablaufen — so, wie es gewesen sein konnte. Ich kannte sein Gesicht, seine Gestalt, seine Stimme. Deshalb konnte ich die Leerstellen ausfüllen, und es war wie ein Horrorfilm, in dem mein ältester Freund eine Frau vergewaltigte, die ich kannte, seit sie zwei Jahre alt war.
    Ich deutete auf den Ring in den Plastikbeutel.
    »Den haben Sie am Tatort gefunden?«
    »Er lag dort, wo Dolf sie gefunden hat.«
    Ich ging ein Stück weg und kam zurück. Es konnte nicht wahr sein. Aber es war so. Fünf Jahre. Die Dinge ändern sich. In meiner Stimme war nichts Gutes mehr. »Zweiundsiebzig war die Nummer seines Football-Trikots. Der Ring war ein Geschenk von seiner Großmutter.«
    »Weiter.«
    »D.B. ist die Abkürzung seines Spitznamens. Danny Boy. Nummer zweiundsiebzig.« Grantham nickte, als ich zu Ende sprach: »D.B. zweiundsiebzig. Danny Faith.«
    Robin stand stumm da. Sie wusste, was dabei in mir vorging.
    »Sind Sie sicher?«, fragte Grantham.
    »Erinnern Sie sich, dass ich von Fischerhütten gesprochen habe? Flussabwärts hinter Dolfs Haus?«
    »Ja.«
    »Die zweite in der Reihe gehört Zebulon Faith.« Beide sahen mich an. »Dannys Vater.«
    »Wie weit entfernt. von der Stelle des Überfalls?«, fragte Grantham. »Keine zwei Meilen.«
    »Na schön.«
    »Ich will dabei sein, wenn Sie mit ihm sprechen«, sagte ich. »Kommt nicht in Frage.«
    »Ich hätte Ihnen nichts sagen müssen. Ich hätte selbst mit ihm sprechen können.«
    »Das ist eine Polizeiangelegenheit. Halten Sie sich da raus.«
    »Es geht nicht um Ihre Familie.«
    »Es ist auch nicht Ihre, Mr. Chase.« Er trat einen Schritt näher heran, und obwohl seine Stimme gemessen klang, drang sein Ärger durch. »Wenn ich noch etwas von Ihnen brauche, sage ich es Ihnen.«
    »Ohne mich wären Sie nicht auf ihn gekommen.«
    »Halten Sie sich raus, Mr. Chase.«
    Als ich das Krankenhaus verließ, schimmerte der tief stehende Mond silbern durch die Bäume. Ich fuhr schnell; Blut und grimmiger Zorn stiegen mir in den Kopf. Danny Faith. Robin hatte recht. Er hatte sich verändert, eine Grenze überschritten, und es gab kein Zurück. Was ich zu Robin gesagt hatte, war die Wahrheit.
    Ich hätte ihn totschlagen können.
    Als ich die Farm erreichte, erschien alles verzerrt: die Straße zu schmal, Kurven an den falschen Stellen. Zaunpfähle ragten aus farblosem Gras, der Stacheldraht dazwischen dunkel und straff. Ich passierte die Abzweigung zu Dolfs Haus, ehe ich mich versah. Ich setzte zurück und fuhr nach rechts auf das lange Wegstück, wo ich Grace das Autofahren beigebracht hatte. Sie war acht Jahre alt gewesen und hatte kaum über das Lenkrad schauen können. Ich hörte immer noch, wie sie lachte, und spürte ihre Enttäuschung, als ich ihr sagte, sie fahre zu schnell.
    Jetzt lag sie im Krankenhaus, zusammengekrümmt wie ein Fötus und gebrochen. Ich sah die Nähte an ihren Lippen, den schmalen blauen Spalt, als sie versuchte, die Augen zu öffnen.
    Ich schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad, dann umklammerte ich es mit beiden Händen, als wollte ich es zerbrechen. Ich trat das Gaspedal durch und hörte das Poltern und Prasseln der Steine unter dem Fahrgestell. Noch eine Wegbiegung, und ich fuhr mit dröhnenden Reifen über ein Weiderost. Vor dem kleinen, zweigeschossigen Haus, weiß verschalt und mit einem Blechdach, hielt ich an. Es gehörte meinem Vater, aber Dolf wohnte hier seit Jahrzehnten. Eine Eiche breitete ihre Äste über den Hof, und in der offenen Scheune stand ein altes Auto auf Holzblöcken. Teile des Motors lagen auf einem Picknicktisch unter dem Baum.
    Ich riss den Schlüssel aus dem Zündschloss, schlug die Wagentür zu und hörte das hohe Sirren von Moskitos und den unrhythmischen Flügelschlag tief fliegender Fledermäuse.
    Ich verknotete die

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