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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Vermögen gekostet, die Rebstöcke herzubringen, und wir haben Produktionsflächen geopfert. Die Farm hat eine Menge Cashflow verloren.« Dolf zuckte die Achseln. »Wir werden sehen.«
    »Ist die Farm in Gefahr?«
    Dolf beäugte mich. »Wie viel hat dein Vater dir für deine zehn Prozent gezahlt?«
    »Drei Millionen«, sagte ich. »Das habe ich mir ungefähr gedacht. Er sagt, uns geht's gut, aber er wird wortkarg, wenn es um sein Geld geht. Es muss wohl wehtun.«
    »Und das alles hängt an Jamie?«
    »Ganz recht.«
    »Verdammt«, sagte ich. Die Risiken waren enorm.
    »Es geht um alles oder nichts, nehme ich an.«
    Ich musterte den alten Mann. Die Farm war sein Leben. »Und dir ist das recht?«
    »Ich werde nächsten Monat dreiundsechzig.« Er warf mir einen Seitenblick zu und nickte. »Aber dein Dad hat mich noch nie enttäuscht, und ich glaube nicht, dass er es jetzt vorhat.«
    »Und Jamie?«, fragte ich. »Hat er dich schon enttäuscht?«
    »Es ist, wie es ist, Adam. Wir werden sehen, denke ich.«
    Wir schwiegen eine Weile.
    »Wird mein Vater an die Stromgesellschaft verkaufen, Dolf?«
    Seine Stimme bekam einen harten Unterton. »Hast du Angst, dir könnte was von dem Profit entgehen?«
    »Das ist nicht fair.«
    »Du hast recht, Adam. Es ist nicht fair. Aber ich habe gesehen, was das Geld mit den Leuten hier anstellt.« Gedankenverloren starrte er durch die Scheibe. »Die Versuchung«, sagte er. »Sie macht die Leute verrückt.«
    »Also — glaubst du, er wird es tun?«
    Etwas in seinem Blick verschob sich, und er schaute hinunter auf die langen Reihen der verheißungsvollen Weinreben. »Hat dein Vater dir jemals erzählt, warum dieser Besitz Red Water Farm heißt?«
    »Ich nahm immer an, wegen des roten Lehms im Fluss.«
    »Dachte ich mir.« Dolf startete den Motor und wendete den Truck. »Wo fahren wir hin?«
    »Auf den Buckel.«
    »Wieso?«
    »Wirst du sehen.« Der »Buckel« war die höchste Erhebung auf der Farm, ein massiver Granitfels, der fast als Berg gelten konnte. Die Hänge waren zum größten Teil bewaldet, aber der Gipfel war kahl; die Erdschicht dort war so dünn, dass kaum etwas darauf wuchs. Von da oben hatte man einen Blick auf den nördlichen Flusslauf. Es war der unzugänglichste Teil des Anwesens.
    Dolf fing an zu sprechen, als wir am Fuße des Buckels ankamen; er musste die Stimme heben, denn der Truck polterte über die ausgewaschene Piste, die zur Kuppe hinaufführte. »Früher gehörte das Land hier den Sapona-Indianern. Es gab ein Dorf in der Nähe, wahrscheinlich auf dem Gelände der Farm, auch wenn man die genaue Lage nie ermitteln konnte. Wie die meisten Indianer wollten die Sapona ihr Land nicht hergeben.« Er deutete auf die Piste vor uns. »Ihre letzte Gegenwehr fand hier oben statt.«
    Wir kamen aus dem Wald auf das Plateau. Es war mit dünnem Gras bewachsen. Am nördlichen Rand ragte der Granit aus dem Boden und bildete eine zerklüftete Wand, zehn Meter hoch und eine Viertelmeile lang. Sie war von Rissen und tiefen Spalten durchzogen. Dolf parkte an ihrem Fuße und stieg aus. Ich folgte ihm.
    »Nach allem, was man weiß, lebten ungefähr dreihundert Menschen in dem Dorf, und am Ende flüchteten sie sich alle hierher. Frauen und Kinder. Alle.« Dolf pflückte einen langen Grashalm aus dem steinigen Boden und zerrieb ihn zwischen den Fingern, während er seine Worte wirken ließ. Dann ging er an der Fels-wand entlang. »Hier ist hohes Gelände«, sagte er und zeigte mit einem grasfleckigen Finger auf die felsige Flanke. »Der letzte gute Platz zum Kämpfen. Von hier aus kann man im meilenweiten Umkreis alles sehen.«
    Er blieb stehen und deutete auf eine schmale Spalte im Gestein, am Fuße der Wand. Ich kannte die Stelle; mein Vater hatte mich oft davor gewarnt, denn die Spalte war tief.
    »Als es vorbei war«, sagte er, »warfen sie die Indianer hier hinein. Die Männer waren natürlich erschossen worden, aber die meisten Frauen und Kinder lebten noch. Sie warfen sie zuerst hinein und die Toten dann oben drauf. Es geht die Sage, dass so viel Blut ins Grundwasser sickerte, dass die Quellen danach tagelang rot waren. Daher kommt der Name.«
    Ich spürte, wie die Wärme aus meinen Körper wich. »Woher weißt du das?«
    »Archäologen aus Washington haben die Grube in den sechziger Jahren freigelegt. Ich war hier, als sie es taten. Dein Daddy auch.«
    »Und wieso habe ich nichts davon gehört?«
    Dolf zuckte die Achseln. »Es war eine schwierige Zeit. Niemandem war viel daran

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