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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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schuld daran, Professor«, sagte er. »Ich hätte Sie ins Vertrauen ziehen sollen, ich hätte Sie warnen sollen.«
    »Es tut mir leid«, bemerkte Carruthers, »aber ich verstehe kein Wort.«
    Bevor er antwortete, zündete Groom seine unvermeidliche Zigarre an. Carruthers vermutete, daß Grooms konstante Beschäftigung mit einer Zigarre nur ein Mittel war, um Zeit zu gewinnen und, ohne sich dies anmerken zu lassen, seine Worte abzuwägen.
    »Ich werde es Ihnen gleich erklären«, sagte er. »Aber erzählen Sie mir doch bitte erst etwas über die Dame, mit der Sie heute nachmittag gesprochen haben. Kennen Sie sie?«
    Carruthers mimte Verblüffung. Er hatte sich wieder ganz in der Gewalt, war ruhig und besonnen, und hatte seinen unerklärlichen Schwächeanfall schon vergessen. Er überlegte rasch.
    »Großer Gott, nein. Sie schien sich Sorge zu machen, weil der Zug auf offener Strecke anhielt. Ich habe sie beruhigt, und so kamen wir ins Gespräch.«
    »Worüber haben Sie denn mit ihr gesprochen?«
    Carruthers hatte diese Frage erwartet.
    »Über nichts Besonderes. Sie sagte mir, sie kenne Ixanien.«
    »Haben Sie ihr gesagt, daß Sie dorthin unterwegs sind?«
    »Sicher! Warum nicht?«
    Carruthers grinste innerlich, als Groom einen Fluch ausstieß.
    »Was für einen Reisezweck haben Sie denn angegeben?«
    Carruthers lächelte überlegen.
    »Ich sagte, ich wolle Bilder von der schönen ixanischen Landschaft knipsen.«
    »Haben Sie eine Kamera?«
    »Nein.«
    »Dann müssen Sie in Basel sofort eine kaufen. Man wird Sie an der ixanischen Grenze daraufhin durchsuchen.«
    Carruthers lächelte grimmig vor sich hin. Groom war also auf denselben Gedanken gekommen. Der Mann würde zur gegebenen Zeit ein nicht zu unterschätzender Gegner sein. Unterdessen spielte Carruthers seine Rolle weiter.
    »Wieso denn? Das verstehe ich nicht.«
    »Sie werden es sofort verstehen. Ixanien ist, wie Sie vielleicht wissen, eine Republik mit einem Präsidenten und einer sogenannten Deputiertenkammer. Die Republik ist die Folge der Revolution von 1921 gegen die Monarchie. Der Umsturz war eine sinnlose Schlächterei und insofern typisch für Ixanien. Mihail VII. hätte liebend gern abgedankt, die Armee war republikanisch bis zum letzten Mann, und das Volk schmachtete in einem der letzten Bollwerke des Feudalsystems in Europa. Die Republikaner hatten aber mit der allen Revolutionären eigenen Kurzsichtigkeit übersehen, daß Regieren ein Geschäft ist wie jedes andere auch und daß man lernen muß, ein Geschäft zu führen. Die unvermeidliche Folge war eine Zeit des totalen Durcheinanders und der Anarchie. Zwangsläufig hatte das wiederum zur Folge, daß die alten Elemente sich wieder in die Regierung einschlichen. Ich möchte nicht gerade von Restauration sprechen, Infiltration scheint mir das rechte Wort zu sein. Formell geschah der Republik kein Unrecht, die Sache wurde äußerst diskret erledigt, alles ganz legal, und nominell regieren immer noch Präsident und Deputiertenkammer. Aber die Macht ist bis zum heutigen Tag in den Händen einiger weniger Aristokraten des ancien régime . Sie sitzen fest im Sattel, denn verantwortlich für die Regierungsgeschäfte sind ja der Präsident und die Deputiertenkammer, obschon diese in den letzten vier Jahren nicht mehr einberufen worden ist. Das Volk hat eine geradezu abergläubische Achtung vor ihnen. Einige Monate Demokratie genügten nicht, um die Jahrhunderte alte Verehrung des Ixaniers für Titel und adelige Geburt auszurotten.«
    Er hielt inne und betrachtete die Asche seiner Zigarre.
    »Diese Situation«, warf Carruthers ein, »ist keineswegs neuartig.«
    »Zum Glück für unser Geschäft«, bemerkte Groom ruhig. »Das Neue an der Lage in Ixanien ist, wie diese Leute das korrupteste Kabinett, das man sich vorstellen kann, zu Hause regieren lassen und die Zeit damit verbringen, sich mit anderen Staaten anzulegen. Das blaue Blut, ich weiß, ich weiß. Schäbiger Imperialismus verbrämt mit Faschismus. So ein Maskenkostüm ist wunderschön, aber nur, wenn das Land, in dem so etwas Mode ist, unsere Rechnungen bezahlen kann. Aber die ixanischen Bauern sind so arm, daß sie nicht einmal ihre Steuern zahlen können. Das Dumme an der aristokratischen Partei ist, daß alle Mitglieder glühende Patrioten sind, das heißt, von einer bemerkenswerten Ausnahme abgesehen, ziemlich dumm. Sie haben alle die besten Absichten, aber sie sind hoffnungslos borniert.« Groom schüttelte melancholisch den Kopf. »Jemand hat

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