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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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»Fahren Sie in Geschäften dorthin, Monsieur?«
    Der Frontalangriff kam für ihn ganz unerwartet. Sie musterte ihn scharf. Er hatte ein ungutes Gefühl, weil er durch seine Frage ihren Argwohn erregt hatte, und tat nun sein Bestes, indem er entwaffnend lächelte.
    »Gott bewahre, nein. Ich gehe nur meinem Hobby nach, dem Fotografieren. Ich habe mir sagen lassen, daß die Landschaft um Zovgorod wunderschön ist.«
    Sie zog die Brauen hoch.
    »So? Das ist mir ganz neu. Es kommen nur selten Touristen nach Ixanien. Es gibt nur wenig Pittoreskes in Ixanien, das Sie nicht auch jenseits der Grenze haben könnten, nebst dem Vorteil bequemer Hotels.«
    Sie hatte das in bitterem Ton gesagt und schaute nun aus dem Fenster, als hätten ihre Worte unangenehme Erinnerungen wachgerufen. Carruthers war sich zwar im klaren, wie läppisch sich seine improvisierte Ausrede angehört haben mußte, hoffte jedoch insgeheim, er habe sie täuschen können. Er wurde sogleich enttäuscht.
    »Man hat Sie falsch informiert, mein Freund«, sagte sie in festem Ton. »Ixanien hat keine Sehenswürdigkeiten. Ich rate Ihnen, Ihre Pläne zu ändern.«
    Carruthers zuckte die Achseln.
    »Man ist immer auf der Suche nach Neuem«, sagte er lahm und beschloß bei sich, in Basel als erstes eine Kamera zu kaufen.
    »Ändern Sie Ihre Pläne trotzdem, Monsieur. Das Klima von Ixanien ist für Touristen sehr ungesund, besonders im Frühling.«
    Wieder starrte sie ihn an, und ihr Blick verwirrte ihn sehr. Das war ohne Zweifel eine Warnung gewesen. Auf irgend eine mysteriöse Weise hatte sie herausbekommen, wer er war. Ob sie ihn nun für Conway Carruthers oder Professor Barstow, den technischen Berater von Cator & Bliss hielt, wußte er jedoch nicht. Und doch hing viel davon ab, wieviel sie wußte.
    Er würde sicher nichts gewinnen, wenn er sich als der helle Kopf zeigte, der er war. Er lächelte ungläubig und wollte eben antworten, als sie ihm zuvorkam und ihn laut und deutlich fragte:
    »Monsieur, würden Sie so freundlich sein und mir sagen, wann wir in Basel ankommen?«
    »Um 20 Uhr 30, Madame.«
    »Merci, Monsieur.«
    Mit betörendem Lächeln drehte sie sich um, verschwand in ihrem Abteil und zog die Türe hinter sich zu. Aus seinem Augenwinkel entdeckte Carruthers den Grund dafür.
    Am Ende des Ganges stand Groom und beobachtete sie.

5. Kapitel
    20. April (Fortsetzung)
     
    Erst am frühen Abend, als der Zug durch die fruchtbaren Felder des Saônetals raste, kam Groom auf die Begegnung im Korridor zu sprechen. Bequem in seine Ecke gelehnt, hatte Carruthers versucht, aus den wenigen Tatsachen, die er wußte, und aus dem, was er vermutete, sich ein Bild der Situation zu machen.
    Erstens: Groom, der Waffenhändler, wollte die Herstellung der Kassenschen Bombe verhindern. Zweitens: Groom wollte diese Bombe durch seine Firma herstellen lassen. Drittens: Er hatte sich zu diesem Zweck einen technischen Berater engagiert, oder jedenfalls glaubte er das. Viertens: Der Vertreter Ixaniens in England führte Groom, ohne es zu wissen, direkt in sein Hauptquartier. Fünftens: Die Anwesenheit einer gewissen Person im Zug hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Der Rest war reine Vermutung: Es war ziemlich sicher, daß die Frau aus dem rumänischen Wagen, die ihn, Carruthers, davor gewarnt hatte, nach Ixanien zu fahren, der Anlaß war zu Grooms Besorgnis. Er schloß die Augen. Wieviel wußte sie? Wer war sie? Er wurde sich schlagartig bewußt, wie wenig er eigentlich von der Geschichte wußte, in die er sich da eingelassen hatte. Groom hatte zwar eine ganz plausible Erklärung gegeben – der echte Professor Barstow würde sie ohne weiteres geglaubt haben – aber war sie auch wahr? Ja, war sie überhaupt auch nur plausibel? Nein, er mußte verrückt sein, es war ein Hirngespinst, ein Traum, ein Alptraum. Das Blut hämmerte in seinem Kopf. Wo war er? Was tat er eigentlich hier? Wer war er überhaupt? Er fühlte, wie er ausglitt und kopfvoran ins Bodenlose fiel. Der Lärm in seinem Kopf wurde lauter und lauter, und während er immer weiter fiel, kam ein Nebel auf ihn zu, in dem er irgendwie bekannte Gestalten zu erkennen glaubte. Die Stimmen in seinem Kopf wurden zum Gebrüll, das ganz plötzlich zu einem Flüstern erstarb, und sein wiederkehrendes Bewußtsein vernahm nur noch das rhythmische Stampfen des Zuges. Er spürte, wie er am ganzen Körper in Schweiß ausbrach. Erschrocken riß er sich zusammen. Es war nicht Carruthers Art, zu dösen.
    Groom redete.
    »Ich bin selber

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