Der dunkle Grenzbezirk
selbstgefälliges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Carruthers wunderte sich, wie Groom mit seinem kolossalen Dünkel es fertiggebracht hatte, von irgend einem Reporter, und wäre er die größte Schlafmütze, übersehen zu werden.
»Ich erwähnte Zazhoff«, fuhr Groom fort, »weil er mir einmal erzählte, daß es heutzutage keine Geheimwaffen mehr geben könne – daß das die reine Unmöglichkeit sei. Das stimmt natürlich. Man kann alle technischen Details einer sogenannten Geheimwaffe in der Regel einige Wochen, nachdem sie erfunden worden ist, herausfinden. Die technischen Fachzeitschriften publizieren sie sogar ganz ungeniert.«
»Ja, aber in unserem Fall …«
»Genau. In unserem Fall sind wir allen voraus. Das bedeutet, daß wir in der Lage sein werden, anderen Firmen Lizenzen zur Herstellung zu vergeben. Ich glaube, gesagt zu haben, daß bei Lizenzen auch für Sie etwas herausspringt.«
»Aber wenn es so leicht ist, den Herstellungsprozeß herauszufinden, besteht da nicht die Gefahr, daß andere Firmen sich einfach über Cator & Bliss hinwegsetzen und die Waffe selber herstellen?«
Groom schaute schockiert drein.
»Aber, aber, Professor! Für einen Idealisten sind Ihre Ansichten in puncto Geschäftsethos außergewöhnlich zynisch. Sehen Sie: Im Weltkrieg 14–18 stellte eine englische Waffenfirma eine Unzahl Zünder eines besonderen Typs zum Gebrauch in der englischen Armee her. Nach dem Krieg hat die Inhaberin des Patents, eine renommierte deutsche Firma, eine hohe Summe an Lizenzgebühren eingefordert. Die Sache wurde freundschaftlich geregelt, außergerichtlich natürlich. Und so gehört es sich auch«, schloß er streng.
Carruthers überdachte diesen neuen Aspekt kommerzieller Anständigkeit. Solche wendigen Moralisten waren zweifellos auch imstande, Bestechung von Staatsbeamten mit ihrem Geschäftsethos in Einklang zu bringen.
Er schaute zu Groom hinüber. Es wurde Nacht. Der Zugführer oder wer immer dafür verantwortlich war, hatte offensichtlich vergessen, Licht zu machen, oder es gab überhaupt kein Licht. Auf alle Fälle saßen sie im Halbdunkel. Carruthers sah die Silhouette Grooms, die sich hinter dem glühenden Ende der Zigarre im schwindenden Tageslicht schwach abhob. Bequem und selbstgefällig saß er in seiner Ecke, und plötzlich wurde Carruthers von kalter Wut gepackt, einer Wut auf diese Monstren, die sich vom Elend der Menschen mästeten und aus ihrer Not Profit schlugen. Nur einmal, sagte er bei sich, nur ein einziges Mal würden sie besiegt werden, und wenn es ihn sein Leben kosten sollte.
Er ertrug es nicht mehr, im selben Coupé mit Groom zu sitzen, und so murmelte er eine Entschuldigung und ging hinaus auf den Gang.
Er lehnte sich an die Fensterstange und schaute in die zunehmende Dunkelheit hinaus. Weit weg sah er eine Hügelkette, die sich sanft vom Streifen des kühlen, tiefblauen Himmels abhob, den die untergehende Sonne noch erhellte. Darüber hingen schwer und schwarz die Wolken. Der Lärm des Zuges tönte über die Ebene hinweg hinein in eine große, wartende Stille. Er hielt sein Gesicht dem frischen Wind entgegen.
Sie erreichten die ixanische Grenze um zwei Uhr morgens. Carruthers, der wach geworden war, als der Zug seine Geschwindigkeit verringert hatte, streckte seine verkrampften Glieder und stieg aus. Der Mond war aufgegangen, und nach einem Blick auf seine Umgebung vermutete Carruthers, daß sie sich auf einem hohen Paß befanden.
Es war bitter kalt, und um die Blutzirkulation anzuregen, ging er, die Hände tief in den Taschen seines dünnen Mantels, auf dem Bahnsteig der Grenzstation auf und ab.
Einige verwahrloste Gestalten in Uniform umstanden einen Ofen am Ende des Bahnsteiges. Das waren zweifelsohne die ixanischen Grenzposten. Neben der Bahnstation befanden sich ein paar Wellblechschuppen, und als Carruthers sie erreicht hatte, erschien ein nicht eben vertrauenerweckend aussehender Beamter.
Groom und die andern Passagiere traten zu Carruthers, und die ganze frierende Gruppe wurde in einen der Wellblechschuppen geführt. Er schaute sich nach der Gräfin um, konnte sie aber nirgends sehen. Der Amerikaner ließ sich zu einem distanzierten Nicken herab, direkt hinter ihm stand Rovzidsky. Dann sah er durch eine offene Tür auf der andern Seite des Schuppens am Straßenrand eine große Mercedes-Limousine. Wenige Sekunden später erschien die Gräfin, gefolgt von einem Soldaten, der ihre Koffer trug. Der Beamte grüßte untertänigst, und die Gräfin
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