Der dunkle Grenzbezirk
Ixanien?«
Carruthers betrachtete den Kopf seiner Pfeife und dachte sich eine glaubwürdige Lüge aus.
»Ihre erste Frage, Mr. Casey, kann ich nicht beantworten, weil ich es nicht weiß. Die zweite kann ich nur beantworten, wenn Sie mir Diskretion versprechen. Für den Fall, daß Sie diese Neuigkeit publizieren, wird sie dementiert werden.«
»O. K. Schießen Sie los«, sagte Casey.
»Cator & Bliss verkaufen der ixanischen Regierung Feldgeschütze. Ich bin hier als Experte für Ballistik.«
Ein harter Ausdruck trat in Caseys Augen. Langsam steckte er seine Hand in die Tasche und zog ein Bündel Papiere hervor. Eins angelte er heraus.
»Ihre Personalakte, Professor«, bemerkte er kurz. »Ich habe sie vor einer Woche aus New York bekommen.« Er fing an zu lesen. »Henry Barstow, Mitglied der Royal Society, Doktor der Naturwissenschaften, etcetera, etcetera, was ist denn das? Lehrstuhl für Physik an der Universität so und so, Mitglied der Royal Society, schon wieder, 1925: aha, hier haben wir’s! Veröffentlichungen: Eine Untersuchung der Atomtheorie, Gesammelte Aufsätze zu den Lorentzschen Transformationen, Eine Untersuchung der Einsteinschen Dynamik, Verfasser des Absatzes Atome, Struktur der in der neuesten Auflage der Encyclopaedia Universalis. Das ist alles. Kein Wort von Ballistik, Professor.«
Carruthers lachte, aber nicht sehr behaglich.
»Sie sind ein sehr gründlicher Mann, Mr. Casey.«
»Immerhin so gründlich, daß ich weiß, daß der Ballistiker von Cator & Bliss Generalmajor Lanceley-Pinton heißt. Er diente in der Britischen Armee.«
»Sehr interessant, Mr. Casey, aber ich sehe immer noch nicht, was …«
»Und die ixanische Regierung kauft keine Feldgeschütze. Sie hat vor drei Monaten bei Skoda Granatwerfer bestellt.«
Er stand auf. Seine Stimme klang verärgert, als er sagte:
»Ich bin zwar noch jung, Herr Professor, aber so grün, wie Sie zu glauben scheinen, bin ich nicht. Auf Theatermätzchen falle ich jedenfalls nicht herein. Auf Wiedersehen, Professor.«
Er machte kehrt und ging.
Carruthers schaute ihm mit gemischten Gefühlen nach, als er die Straße hinunterschlenderte. Zwar war er die Fragerei los, aber zugleich auch die Möglichkeit, Dinge zu erfahren, die er unbedingt wissen mußte. Immerhin hatte er Casey etwas näher kennengelernt und war überzeugt, daß der Auslandkorrespondent der Tribune gleichwohl versuchen würde, von Professor Barstow weitere Auskünfte zu erhalten. Vielleicht entdeckte er sogar Carruthers Identität, sein Doppelspiel, und würde ihn möglicherweise sogar damit erpressen, mit der Aufdeckung drohen, um an seine Story zu kommen. Das einzig Erfreuliche an diesem Interview war für Carruthers, daß Grooms Behauptung, er sei der Weltpresse ein Unbekannter, gelinde gesagt eine Übertreibung war.
Der besagte Herr saß schon am Tisch, als Carruthers ins Hotel zurückkehrte. Er schien weniger beschäftigt und wirkte aufgeräumter und zufriedener als zu sonst einem Zeitpunkt seit Rovzidskys Ermordung. Carruthers benutzte die Gelegenheit, um zu fragen, ob das Unternehmen Fortschritte mache.
Die Frage war Groom nicht unangenehm. »Ich kann Ihre Ungeduld verstehen, Professor. Zovgorod ist nicht gerade eine amüsante Stadt, und man langweilt sich schnell. Ich kann Ihnen aber versichern, daß ich Ihre Dienste schon bald benötigen werde. Ich stehe jetzt mit den Leuten in Verbindung, auf die es ankommt. In zwei bis drei Tagen werde ich wissen, ob meine Bemühungen erfolgreich waren.«
Begeistert nahm er das Wiener Schnitzel in Empfang, das er bestellt hatte.
»Immerhin«, fuhr er fort und wählte von den Gewürzen, die man ihm auf einem Servierbrett anbot, Senf aus, »weiß man hier, wie man ein Wiener Schnitzel zubereitet. Etwas mehr Kapern und eine halbe Minute weniger in der Pfanne, und es wäre ideal. Gott sei Dank haben sie hier einen deutschen Koch. Wer immer die Meinung in die Welt gesetzt hat, daß nichts über französische Küchenchefs gehe, hat nie wirklich gute deutsche Küche kennengelernt.«
Er wandte sich voll Andacht seinem Essen zu, während Carruthers einen Tiroler Rostbraten bestellte und schnell überlegte.
Daß Groom in Verbindung mit »den richtigen Leuten« stand, konnte nur heißen, daß er jemanden gefunden hatte, der wie Rovzidsky willens und in der Lage war, die bedeutsamen Informationen gegen eine größere Bestechungssumme zu liefern. Was aus dieser Möglichkeit abzuleiten war, machte ihm zu schaffen. Denn wenn so viele Leute in
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