Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
Vom Netzwerk:
denn bis jetzt hatte er nichts Wissenswertes herausgefunden, und es sah auch nicht so aus, als würde er irgendetwas herausfinden. Immerhin, so sagte er sich bitter, waren ihm ein paar hervorragende Schnappschüsse gelungen. Aber das war auch alles. Er war seinem Ziel um keinen Schritt näher gekommen, seit er in Southampton den Dampfer bestiegen hatte. Die bedeutungsvollen Ereignisse, die zufälligen Begegnungen, die belauschten Zusammenkünfte – all das, was Conway Carruthers früher in Atem gehalten hatte – fehlte hier unverständlicherweise völlig. Zugegeben, der Vorfall in Basel schien seiner würdig, aber genau besehen war’s nichts anderes gewesen als ein heimliches Treffen zwischen einem Geschäftsmann und einem bestechlichen Regierungsbeamten. Sicher, es hatte noch einen Aufpasser gegeben, und der bestechliche Regierungsbeamte war ermordet worden, aber das war alles so logisch und konsequent. Alle Beteiligten handelten so erstaunlich zielbewußt und praktisch. Es gab keine List, mit der man fertig werden mußte. Er konnte nicht einmal Grooms Gespräche mit den Agenten belauschen, weil die Türen zu dick waren und es keine Möglichkeit gab, an die Fenster heranzukommen. Ja, er wußte noch nicht einmal, wo sich Kassen und sein Laboratorium befanden. Wenn er wenigstens das herausgefunden hätte, hätte er mit seiner Arbeit beginnen können.
    Er seufzte und ließ sein Auge über den breiten Kudbek schweifen.
    Er sah das Übliche: schwatzende Passanten, Polizisten in grüner Uniform, Verkäufer von Lotterielosen. Doch dann blieb sein Blick an etwas Ungewöhnlichem hängen: langsam rollte ein ixanischer Bauernkarren zwischen den Straßenbahnschienen dahin.
    Es war ein von einer Plane zugedeckter Zweiräderkarren. Der Kutscher hing über den Zügeln und kaute an einem Strohhalm. Langsam rumpelte der Wagen die Straße entlang, als plötzlich die beiden Straßenbahnschienen die Räder des Karrens blockierten.
    Nun kam aus jeder Richtung eine Straßenbahn. Die Wagenführer klingelten. Die Trams fuhren langsamer, die Wagenführer brüllten. Der Kutscher schien zu schlafen. Die Straßenbahnen stoppten mit quietschenden Bremsen.
    Plötzlich wurde die Plane zurückgeschlagen, zwei junge Männer sprangen darunter hervor, holten unter herausfordernden Schreien Bündel Papiere aus dem Karren und warfen sie nach allen Seiten in die Luft. Eine leichte Brise verteilte die Flugblätter über die ganze Straßenbreite. Carruthers hob eines, das in seiner Nähe gelandet war, auf.
    Plötzlich brach ein Höllenspektakel los. Die Polizisten pfiffen, die Menge, die sich im Nu versammelt hatte, gröhlte, und die beiden jungen Männer schrien. Dazwischen ertönten in regelmäßigen Abständen Straßenbahnklingeln.
    So rasch wie er angefangen hatte, hörte der Lärm aber wieder auf. Ein Polizeitrupp mit gezogenen Revolvern trieb die erschreckte Menge auseinander, die Polizisten zerrten die schreienden Agitatoren vom Karren. Einer wehrte sich und wurde sofort niedergeknüppelt. Dann wurden alle drei in einen hastig requirierten Privatwagen verfrachtet.
    Carruthers besah sich das Blatt. Nach einer kleinen Weile gelang es ihm, den ixanisch geschriebenen Text zu übersetzen.
    Es war ein Manifest einer Gruppe, die sich Fortschrittliche Bauernpartei nannte und die Bevölkerung aufforderte, endlich zu handeln. Die Aufforderung war nicht besonders präzise, worin die vorgesehenen »Aktionen« bestehen und was sie bezwecken sollten, blieb offensichtlich der Phantasie und dem Geschmack der Leser überlassen. Die Fortschrittliche Bauernpartei, vermutete Carruthers, war das, was jeder sich darunter vorstellte.
    Er las amüsiert den Erguß ein zweites Mal, als eine Stimme hinter ihm fragte: »Störe ich Sie?« Er drehte sich um. Es war der Amerikaner aus dem Zug.
    Carruthers grüßte ihn reserviert. Er hatte das seltsame Betragen des Mannes im Zug nicht vergessen. Der Amerikaner setzte sich zu Carruthers an den Tisch und lächelte entwaffnend. Dann sagte er in liebenswürdigem Ton:
    »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Professor.«
    Carruthers hob fragend die Brauen.
    »Die Sache ist die«, erklärte der Amerikaner, »ich heiße Casey, Bill Casey von der Tribune. «
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Casey « , sagte Carruthers höflich.
    Casey schaute enttäuscht drein. » Nie von mir gehört, nehm ich an. Da sieht man’s wieder einmal, nicht wahr? Sehen Sie, Professor, als wir uns im Zuge miteinander unterhielten und Sie mich

Weitere Kostenlose Bücher