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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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schaute verdutzt drein.
    Carruthers beugte sich nach vorn.
    »Große Bonbons«, sagte er langsam. »Bloß ein wenig größer als eine Eierhandgranate. Bonbons, die Löcher in Felsgestein reißen, ganze Krater, 80 Fuß breit und fast ebenso tief. Bonbons, die Menschen zu Tausenden töten.«
    Casey runzelte ungläubig die Stirn.
    »Wollen Sie mir einreden, daß die Ladung, die diese Krater verursacht hat, nicht größer war als eine Eierhandgranate?«
    »Nur ein bißchen größer, Mr. Casey.«
    Casey seufzte.
    »Nun, Professor, mir scheint, daß Sie einiges mehr wissen als ich. Ich würde es brennend gern erfahren.«
    Carruthers zögerte für einen Moment. Dann faßte er einen Entschluß.
    »Was ich Ihnen jetzt erzähle, wird Ihnen absurd und fantastisch vorkommen. Ich gebe zu, es klingt auch so. Aber ich bin überzeugt, daß es die Wahrheit ist. Deshalb ersuche ich Sie, zu vergessen, daß Sie Journalist sind. Es ist eine Wahrheit, die erst publiziert werden darf, wenn sie Geschichte geworden ist. Es heißt, daß ein Zeitungsmensch zuerst Zeitungsmensch sei und dann Mensch. Ich bitte Sie, diese alte Weisheit umzudrehen.«
    Casey schaute ihn mit einem merkwürdigen Blick an.
    »O. K. Professor«, sagte er dann rasch.
    »Als erstes muß ich Ihnen wohl sagen, daß ich nicht Professor Barstow bin.«
    Casey nahm diese Erklärung schweigend zur Kenntnis. Dann zog er ein Telegramm aus der Tasche.
    »Bevor Sie weitererzählen, Professor, will ich Ihnen dieses Telegramm zeigen.« Er reichte es Carruthers.
    Carruthers las es. Es war zwölf Tage alt.
     
    BARSTOW UNTER MYSTERIOESEN UMSTAENDEN VOR EINER WOCHE VERSCHWUNDEN STOP SELBSTMORD VERMUTET STOP
     
    Das Telegramm war mit »NASH« unterzeichnet.
    »Es macht Ihnen sicher nichts aus, mir Ihren Paß zu zeigen?« fragte Casey.
    Grimmig lächelnd zeigte Carruthers seinen Paß.
    Casey warf einen Blick darauf und gab ihn wieder zurück.
    »Scheint mir in Ordnung zu sein, Professor. Sicher werden Sie mir nichts über diese mysteriösen Umstände erzählen?«
    Carruthers schwieg ein paar Sekunden. Seine Gedanken tasteten sich zurück durch einen schwarzen Nebel. Er hatte Casey ganz vergessen. Nun stand er im Nebel vor einer Mauer. Er konnte sie weder sehen noch sie berühren, er wußte bloß, daß sie da war. Er wandte sich um, und sein Verstand wurde wieder klar.
    »Das würde ich gerne tun, Mr. Casey, aber leider weiß ich nichts Näheres über diese Umstände. Ich habe nie das Vergnügen gehabt, Professor Barstow kennenzulernen, und ich weiß gar nichts über ihn. Dieser Paß wurde mir von gewissen vertrauenswürdigen Persönlichkeiten ausgehändigt. Wer ich wirklich bin, ist ohne Belang. Mein Name ist Carruthers.«
    Casey sah ihm einen Augenblick in die Augen und nickte dann.
    » O. K.«, meinte er, »lassen wir das vorläufig beiseite.«
    Carruthers stopfte seine Pfeife neu und zündete sie an.
    »Es war reiner Zufall, daß ich diesen Groom kennenlernte«, fing er an. »Er hielt mich für diesen Professor Barstow. Ich nehme an, daß wir einander ähnlich sind. Auf jeden Fall ließ ich ihn in dem Glauben.«
    Er sog an seiner Pfeife, blies eine Rauchwolke in die Luft und fuhr fort.
    »Es war in einem Hotel in Launceston in Cornwall …«

ZWEITER TEIL
    Revolution
     
     
    Fortsetzung der Erzählung durch Casey

10. Kapitel
    10. Mai
     
    Als der Mann, der sich Carruthers nannte, mir seine Geschichte erzählte, glaubte ich sie zuerst nicht.
    Kein Wunder, denn selbst jetzt, wo ich umgeben von einer erbarmungslos grellen Tapete in meinem Pariser Büro sitze, fällt es mir schwer, zu glauben, daß mein Erlebnis kein Alptraum war, den schlechte Verdauung und verdrängte Reflexe verursacht haben.
    Aber dann fällt mein Blick auf die Narbe am Handgelenk, und ich erinnere mich an den höllischen Schmerz, den mir der Streifschuß bereitete, als ich mich in jener denkwürdigen Nacht im Kudertal durchs Gestrüpp kämpfte. »Bloß eine Fleischwunde«, sagen in einem solchen Fall die Romanschreiber, die nicht wissen, wovon sie reden. Aber ich schweife ab. Wenn ich meine Gedankenverwirrung mit einem Traum vergleiche, so ist das nicht Wichtigtuerei. Es ist eher eine Entschuldigung, denn es fällt mir schwer, einen Anfang zu finden, Eindrücke von Tatsachen zu sondern und einen verständlichen Bericht über jene abenteuerlichen Tage zu schreiben, die ich mit Carruthers verbrachte.
    Denn für mich heißt er Carruthers. Wer auch immer er war, bevor er nach Zovgorod kam, und wer auch immer er jetzt

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