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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Carruthers wandte sich mir zu.
    »Wenn wir jetzt durch die Passage zurückgehen, sitzen wir todsicher in der Falle«, flüsterte er. »Nikolai & Co. sind dort. Wir müssen vorne raus.«
    Wir schlichen uns an der Hauswand entlang, und dann ging Carruthers vor, um zu sehen, ob die Luft rein war. Etwa nach einer Minute kam er zurück und versicherte, daß alles klar sei. Als wir den Grasstreifen zur Auffahrt hinunterrannten, hörten wir weitere Schüsse hinterm Haus, aber wir gelangten unbelästigt auf den Platz.
    Erst als wir im Taxi saßen und ich wieder Luft hatte, stellte ich die Fragen, die mir keine Ruhe ließen.
    »Was war denn mit den Wachen im Park? Schließlich konnten doch zehn Mann nicht auf die gleiche Weise an dem Posten auf dem Kai vorbei wie wir zwei?«
    »Haben Sie wirklich geglaubt, diese Gurgelabschneider hätten sich an Grooms Anweisungen gehalten? Die haben diese armen Teufel von Wachen kurzerhand erstochen«, gab er zur Antwort. »Es geht nichts über ein Messer bei so einer Arbeit. Es macht keinen Lärm und funktioniert immer. Abgesehen davon, ist es die Lieblingswaffe in diesem Teil der Welt.«
    »Da haben Sie wahrscheinlich recht. Aber was ich noch wissen möchte: Wer hat denn geschossen und ist dann seelenruhig zum Safe gegangen? Doch nicht etwa die Gräfin?«
    »Doch, sie war es. Und jetzt weiß ich genau, daß ich mich nicht geirrt habe. Die zweite Kopie des Kassenschen Herstellungsverfahrens befindet sich in diesem Safe. Die Gräfin ist sofort hingegangen, um nachzusehen, ob die Papiere noch drin sind. Hat sie Nikolai getroffen?«
    »Ja. Ich glaube in die Schulter.«
    Er schaute nachdenklich drein. »Ich wollte, sie hätte ihn getötet. Er hat mein Gesicht im Mondlicht gesehen. Da werde ich mit Groom viel früher Ärger bekommen, als ich erwartet habe.« Plötzlich sah er mich an, und sein Gesicht hatte einen ganz neuen Ausdruck. Dann sagte er mit sanfter Stimme: »Eine erstaunliche Frau, diese Gräfin, nicht wahr? Schießt aus der Hüfte heraus und trifft ihn in die Schulter.« Er schwieg. Dann machte er ein geradezu komisch unbeteiligtes Gesicht und fuhr fort: »Sie hat ein richtiges Madonnengesicht, finden Sie nicht auch?«
    Ich sagte nichts. Vielleicht war es schiere Hysterie, die Reaktion auf die Spannung der vergangenen Stunden, aber ich hätte am liebsten losgebrüllt vor Lachen. Mir war ein ganz närrischer Einfall gekommen. Dieser unglaubliche Mann war verliebt.
     
    Ich war um viertel vor drei in meinem Hotel. Etwa eineinhalb Stunden später betraten zwei Männer Andrassins Wohnung, rissen ihn aus dem Bett und prügelten ihn tot.
    Nur ein einziger Hausbewohner sah sie weggehen. Der Lärm hatte ihn geweckt, und als er aus der Wohnungstür schaute, sah er zwei Männer die Treppe hinunter verschwinden. Er konnte nur noch auf das Gesicht des einen von ihnen einen flüchtigen Blick werfen. Nicht lange genug, um ihn mit Sicherheit wiederzuerkennen, aber lange genug, um die hervortretenden Schmisse zu bemerken.

12. Kapitel
    11. Mai
     
    Carruthers überbrachte mir die Nachricht.
    Wir waren um 11 Uhr in einem Café am Kudbek verabredet, aber als Carruthers von dem Mord an Andrassin gehört hatte, war er direkt ins Bucharesti gekommen. Es war 10 Uhr 30.
    Er hatte es vom Kellner erfahren, der ihm das Frühstück gebracht hatte. Er hatte den Mann ausgeholt, weil er wissen wollte, wieviel über den nächtlichen Einbruch im Haus der Gräfin Schverzinsky bekannt geworden war, und dabei war die ganze Geschichte an den Tag gekommen. Das regierungstreue Blatt hatte in der Morgenausgabe den Mord mit einigen wenigen Zeilen abgetan, aber da Andrassin beim Volke beliebt und geschätzt gewesen war, liefen allerlei Gerüchte um, und das Gerede wollte nicht verstummen. Carruthers Informant hatte von einem politischen Mord gesprochen, den die Feinde Andrassins inszeniert hatten und der ein Schlag gegen die Freiheit sei.
    Wenn ich sagen würde, daß ich entsetzt war, so wäre das milde ausgedrückt. Ich muß gestehen, ich benahm mich ein wenig zu melodramatisch, wie wohl die meisten Menschen unter dem Einfluß starker Emotionen, und es machte mich rasend, daß Carruthers so gefaßt blieb. Ich schrie wild nach Rache. »Diesen Stinktieren werde ich es zeigen, und wenn ich dabei draufgehen sollte.«
    »Sie werden bestimmt draufgehen«, antwortete Carruthers kühl, »wenn Sie es ihnen gleich jetzt zeigen wollen.«
    Ich beruhigte mich langsam wieder, und Carruthers wischte meine Entschuldigung gutmütig

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