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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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daß ich meine Armbanduhr ticken hörte, und ich preßte das Handgelenk gegen mein Bein, um das Geräusch zu ersticken.
    Was immer der Eindringling auch tun mochte, er tat es sehr leise. Ich streckte meine Hand zu Carruthers hinüber und traf auf die seine, die er eben aus der Manteltasche zog. Ich spürte etwas Kaltes, Hartes. Ich tastete die Kontur ab. Es war ein Revolver. Plötzlich ertönte von der andern Seite des Zimmers ein deutliches Klick. Ich streckte wieder meine Hand aus, aber Carruthers war nicht mehr da. Im nächsten Augenblick hörte ich einen dumpfen Fall, und Carruthers Stimme flüsterte nahe beim Vorhang: »Schnell!«
    Ich trat hinter dem Vorhang hervor und sah, wie Carruthers sich über den Mann beugte, den er niedergeschlagen hatte. Oberhalb des Kopfes befand sich ein kleiner runder Safe. Er war offen. Carruthers blickte zu mir hoch.
    »Schauen Sie nach, ob jemand unter dem Balkon steht.«
    Ich ging auf Zehenspitzen zum Fenster, dann in die Hocke, und spähte vorsichtig auf den Balkon hinaus. Der Mond schien jetzt sehr hell, und ich konnte durch die Balkonbrüstung genau unter mir den Kopf eines Mannes sehen. Ich huschte zurück und teilte meine Entdeckung Carruthers mit. Er stand, die Taschenlampe in der Hand, über die Seiten eines handgeschriebenen Manuskriptes gebeugt, das in einem schwarzen Aktenhefter steckte. Es war ixanisch geschrieben, aber viele Seiten waren mit chemischen Formeln bedeckt, die in allen Sprachen unverkennbar sind.
    Plötzlich machte es draußen vor dem Fenster »Ssst« und eine Stimme rief leise »Nikolai«. Carruthers löschte die Taschenlampe, warf die Papiere in den Safe zurück, machte die Tür zu und drehte das Kombinationsschloß. Ich sah das Glitzern des Messers gerade noch zur rechten Zeit. Der Mann am Boden, Nikolai, war wieder zu sich gekommen, war aufgestanden und wollte eben zustoßen, als ich ihn ansprang. Wir fielen beide um und rollten über den Boden. Dann war ich unten und er oben, und er wollte gerade zustechen, als Carruthers mir zu Hilfe kam. Er riß den Mann zurück, der gegen den Schreibtisch knallte. Mit einem Krachen fiel die Vase zu Boden.
    »Das Fenster«, zischte Carruthers.
    Als ich mich hochrappelte, hörte ich, wie er sich von neuem auf Nikolai stürzte. Ich sah einen Schatten am Fenster und rannte drauf zu. Auf dem Balkon stand ein Mann, den die Geräusche offensichtlich angelockt hatten. Meine Faust traf ihn an der Schläfe, und er ging zu Boden, kam aber sofort wieder hoch und war, bevor ich ihn nochmals treffen konnte, schon über das Balkongeländer gesprungen. Ich hörte, wie er unten auf dem Weg landete, und rannte ins Zimmer zurück. Ich kam gerade recht, um zu sehen, wie Carruthers Nikolai einen kurzen Linkshaken verpaßte, der den Mann in einen umgeworfenen Sessel fliegen ließ. Carruthers wartete jedoch nicht, bis der Mann sich wieder hochgerappelt hatte, sondern zerrte mich hinter den Vorhang. Ich fand bald heraus, warum. Nikolai lag am Boden und japste nach Luft. Aber zudem hörte ich jetzt das Geräusch von Schritten. Unwillkürlich wollte ich fliehen, aber Carruthers hielt mich zurück.
    »Warten!« zischte er mir ins Ohr.
    Nikolai hatte die Schritte offensichtlich auch gehört, denn er erhob sich und wankte aufs Fenster zu. Jetzt hörte ich, wie sich ein Schlüssel im Schloß drehte. Carruthers drückte mich gegen die Wand. Ich sah Nikolais Silhouette am Fenster und hörte, wie die Tür aufging. Eine Sekunde später zerrissen mir zwei Schüsse von der Tür her fast das Trommelfell. Der Mann beim Fenster blieb stehen, schwankte, und im Mondlicht sah ich für einen Augenblick sein vor Schmerz verzerrtes Wolfsgesicht. Dann war er verschwunden, und ich hörte ihn unten auf dem Pfad aufschlagen. Von der Vorderseite des Hauses ertönte ein Ruf. Wahrscheinlich hatten die Schüsse den Wachposten geweckt. Ich hörte Stiefelgetrappel, und aus dem Park ertönten Schüsse. Dann ging das Licht im Zimmer an.
    Klopfenden Herzens wartete ich darauf, daß wir entdeckt würden. Es herrschte Totenstille im Raum. Dann hörte ich ein vertrautes Klick. Jemand hatte den Safe wieder geöffnet. Ich wandte den Kopf zu Carruthers, der das Zimmer übersehen konnte. Ich hörte, wie der Safe wieder geschlossen wurde. Dann ging die Türe zu. Der Schütze hatte das Zimmer verlassen.
    »Los!« zischte Carruthers.
    Zehn Sekunden später waren wir unter dem Balkon. Carruthers lauschte. Ich sah im Garten einen Schuß aufblitzen und hörte einen Schrei.

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