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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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öffnete sich rechts eine riesige Doppeltür, und ein großer schlanker Mann von ungefähr 50 Jahren trat heraus. Er brüllte einen Befehl, und wir blieben stehen. Der Offizier mit den rosa Augen machte einen Schritt auf den Mann an der Tür zu und salutierte. Hierauf wurden einige Worte gewechselt. Der junge Offizier erklärte offensichtlich, wer wir waren, denn ich hörte die Namen Barstof und Carsej heraus. Der andere nickte kurz, blickte uns wild an und verschwand in der Tür, die er heftig zuschlug.
    Ich schaute zu Carruthers.
    »Prinz Ladislaus«, flüsterte er.
    Unser Bewacher sagte wieder »Taisez-vous!« , und wir gingen weiter auf die kleine Türe zu, die diskret aufgemacht wurde. Als ich ins Zimmer trat, erkannte ich es auf den ersten Blick wieder als den Schauplatz unseres nächtlichen Abenteuers. Am Schreibtisch saß die Gräfin und schaute uns an. Sie gab einen kurzen Befehl, und die Türe schloß sich hinter uns.
    Schweigend betrachtete sie uns einige Sekunden. Ich hatte sie noch nie aus der Nähe gesehen. Aus Distanz wirkte sie hübsch, aus der Nähe war sie eine schöne Frau. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß ein so exquisites Geschöpf bei dem gemeinen Mord an Andrassin die Hand im Spiel gehabt haben könnte. Selbst heute noch neige ich dazu, für die ekelhafte Brutalität der Mörderbande, die sich Der Rote Fehdehandschuh nannte, nicht die Gräfin, sondern den verstorbenen Oberst Marassin verantwortlich zu machen. Tumachin hat einmal versucht, sie zu charakterisieren. »Objektivität ist bei einem Mann eine Tugend, bei einer Frau eine kosmische Katastrophe.« Aber die Europäer haben ja bekanntlich eine Schwäche für derart oberflächliche Verallgemeinerungen, wenn es um den Gegensatz Mann – Frau geht. Die Gräfin stand jenseits solcher psychologischer Simplifizierung. Ebenso wie die meisten Männer und Frauen auch.
    An jenem Morgen aber, als wir die Gräfin über den Schreibtisch hinweg ansahen, blieb keine Zeit für simple oder komplizierte psychologische Urteile. Carruthers ging sofort zum Angriff über.
    »Was soll dieser – dieser Überfall heißen, Madame?« wütete er.
    Ihre roten Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln.
    »Was macht denn Ihr Hobby, Professor?« fragte sie.
    »Abgesehen von der Tatsache, daß mir aus unverständlichen Gründen an der Grenze eine meiner besten Kameras konfisziert worden ist, danke gut. Darf ich fragen«, fuhr er fort, während seine Stimme vor gerechter Empörung zitterte, »wer Sie sind und was diese Unverschämtheit bedeuten soll? Ich erinnere mich an Sie, Madame. Wir haben uns im Zug nach Bukarest kennengelernt. Damals haben Sie einen völlig normalen Eindruck gemacht.«
    Ich hörte das Stichwort und begann in der lingua franca von Filmgangstern: »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer zum Teufel Sie sind, Lady. Aber eins weiß ich, der Konsul der Vereinigten Staaten wird dafür gar kein Verständnis haben, und ich nehme an, dasselbe gilt auch für den Professor.«
    Ich redete weiter von meinen Presseverbindungen (Nash wäre knallrot geworden vor Verlegenheit), erfand einen Verwandten im Weißen Haus und sprach von der Unverletzbarkeit des amerikanischen Staatsbürgers im Ausland.
    Sie hörte mir schweigend zu, während ihre Hände ungeduldig mit einem Federhalter spielten. Sie betrachtete ihn nachdenklich, während sie mir antwortete:
    »Jede Beschwerde bei Ihrem Konsul, Mr. Casey, wird mit einer Gegenanklage unsererseits beantwortet werden, und zwar unter Zeugen, daß Sie sich hier gewaltsam Zutritt verschafft haben. Unser chargé d’affaires in Washington wird Ihre Regierung in einem solchen Fall auch ersuchen, Ihren Arbeitgeber dahin zu informieren, daß er einen andern Korrespondenten nach Zovgorod schicken soll. Und was Sie betrifft, so werden Sie an die Grenze geschafft und als unerwünschter Ausländer des Landes verwiesen.«
    Ich atmete tief ein und wollte ihr gerade antworten, als sie mir mit einer verächtlichen Handbewegung Schweigen gebot und sich zu Carruthers wandte. Also schwieg ich. Ich hatte ja Stoff genug zum Nachdenken.
    »Und Sie, Professor Barstow?« fragte Sie kalt. »Welche diplomatischen Schritte beabsichtigen Sie zu unternehmen?«
    »Ganz bestimmt werde ich Schritte unternehmen«, antwortete Carruthers und brachte diese Worte mit angemessener Empörung hervor, »und das wird Sie lehren, daß Sie mit internationalem Recht nicht nach Belieben umspringen können.«
    Sie schaute ihn interessiert

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