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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Andrassin rächen, aber zuerst müssen wir unbedingt mit Tumachin sprechen.«
    Wieder schaute er uns an, schien aber schon etwas unschlüssig geworden.
    »Mein Freund hier ist Engländer«, fügte ich rasch hinzu. »Ich bin amerikanischer Staatsbürger. Ich kenne Andrassin von New York her. Wir waren gute Freunde.«
    Der Kellner zögerte immer noch. Dann schien er sich zu einem Entschluß durchzuringen, und plötzlich stieß er hervor:
    »Sa’ Maria Prospek elf. Und möge die Heilige Mutter Gottes Ihre Dolche segnen!« Seine Stimme hatte einen leidenschaftlichen Ton. Dann beherrschte er sich wieder, verbeugte sich und verließ das Zimmer.
    Ich schaute zu Carruthers.
    Er nickte. »Los«, sagte er dann.
    Ich zog mich schnell an, und zehn Minuten später gingen wir die Treppe des Bucharesti hinunter. Plötzlich fiel mir etwas ein.
    »Und Ihre Beschatter?«
    »Ich habe sie nicht vergessen«, bemerkte er. »Diesmal müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen.«
    Er schaute die Straße rauf und runter, und sein Gesicht bekam plötzlich einen grimmigen Ausdruck. »Wir wollen etwas spazieren gehen«, sagte er dann.
    Nach einer Viertelmeile etwa blieb er stehen.
    »Es gefällt mir ganz und gar nicht«, brummte er.
    »Was?«
    »Sie folgen uns überhaupt nicht, und ich kann sie nirgends sehen.«
    »Was ist denn daran Besonderes? Wahrscheinlich haben sie sich gesagt, daß Ihr Job verdammt langweilig ist, und sind ins Café gegangen.«
    Er schüttelte den Kopf. Wir gingen weiter. Dann blieben wir wieder stehen. Das einzige, was zu sehen war, war ein leeres Taxi, das vorüberfuhr. Carruthers zuckte die Achseln.
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er zweifelnd.
    Wir winkten dem Taxi, das an den Trottoirrand fuhr, und stiegen ein. Carruthers hatte auf seinem Stadtplan gesehen, daß der Sa’ Maria Prospek bei der Oper lag, und er befahl dem Chauffeur, uns dorthin zu fahren. Die Türe wurde zugeschlagen und der Wagen fuhr los.
    Nach ungefähr drei Minuten rief Carruthers plötzlich: »Halt! Hier geht’s nicht zur Oper.« Die Fenster des Taxis waren dicht geschlossen, und ich fühlte mich plötzlich schrecklich schläfrig. Mir schien, als sei mein Gehirn in Watte eingehüllt. Ich sah, wie in einem Zerrspiegel, wie Carruthers vergebens versuchte, das Fenster zu öffnen. Als er ausholte, um die Scheibe einzuschlagen, fiel er neben mich auf den Sitz. Dann verlor ich das Bewußtsein.
     
    Das erste, was meine Augen sahen, als ich sie wieder öffnete, war eine Büste des letzten Zaren von Rußland. Dann machte ich die Augen ganz auf und sah eine ixanische Offiziersuniform. In ihr steckte ein ziemlich großer junger Mann mit einem riesigen Schnurrbart und unangenehmen rosaroten Augen, die denen eines Bullterriers glichen. Er lehnte mit übereinandergeschlagenen Beinen an einem Tisch, und zwischen seinen Lippen hing eine lange, dünne Zigarre. Er musterte mich schweigend.
    Meine Augen wanderten wieder zu der Büste, und dann schaute ich mich im Zimmer um.
    Ich lag auf einem Sofa. Neben mir auf dem Boden lag Carruthers. Er hatte die Augen offen und starrte auf die bemalte Decke. Das Zimmer war mit erlesenem Geschmack eingerichtet. Etwa zehn Zentimeter von meinem rechten Auge hing ein wunderschöner alter Brokat. Aber als ich das Fenster sah, wußte ich, wo wir waren. Seine Form war unverkennbar. Wir waren im Haus der Gräfin Schverzinsky.
    Carruthers stützte sich auf seinen Ellbogen und wandte sein Gesicht dem Offizier zu. Dieser stieß eine Rauchwolke aus und schlenderte zur Tür. Er öffnete sie, wechselte mit jemandem draußen ein paar Worte auf ixanisch und kehrte wieder zum Tisch zurück.
    Als ich zu Carruthers hinunternickte, platzte mein Kopf fast vor Schmerz. Er setzte sich auf.
    »Die Gräfin?« fragte ich.
    »Ja. Trumpfen Sie mit Ihrem Konsul auf.«
    »Taisez-vous!« herrschte uns der Offizier an. Er hatte einen gräßlichen Akzent, und ich nahm an, daß es mit seinem Französisch nicht weit her war. Meine Vermutung bestätigte sich, denn als sich wenig später die Tür öffnete und jemand ein paar Worte sagte, gab er uns auf ixanisch einen Befehl. Da wir nichts verstanden, rührten wir uns nicht. Nun schrie er mit Exerzierplatzstimme »Venez!« , und wir erhoben uns mühsam und folgten ihm. An der Tür stand, einen Revolver in der Hand, ein anderer Offizier und musterte uns mißtrauisch.
    Wir gingen über einen Parkettboden durch eine große Halle zu einer kleinen Tür am andern Ende. Als wir mitten in der Halle waren,

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