Der dunkle Highlander
sich eingestand, dass sie die Hände kaum von ihm lassen konnte, hätte er sie sich am liebsten über die Schulter geworfen und in sein Bett getragen.
Bei der morgendlichen Rasur betrachtete er sich im Spiegel. Die Rasur war ein gefährliches Unterfangen, denn die Hand mit der scharfen Klinge an seinem Hals zitterte heftig. Er blickte in dunkelbraune Augen. Fast zwei Wochen hatte er keine Frau mehr gehabt. Das war zu lang. Viel zu lang.
Wie viel Zeit wohl noch vergehen würde, bis seine Augen ganz schwarz waren? Ein Tag oder vielleicht zwei? Und was würde dann geschehen? Er hatte Angst, aber längst nicht so viel, wie er eigentlich haben sollte.
Es hatte ihn überrascht, die Stimmen zu hören, als er gestern im Steinkreis stand. Zum ersten Mal machten sich die Wesen in seinem Inneren mit Stimmen bemerkbar, und zum ersten Mal nahm er sie als Individuen wahr. Sie so intensiv zu spüren war schrecklich. Es war, als steckte etwas Totes in seiner Kehle, das er nicht herauswürgen konnte. Gleichzeitig war diese Entwicklung auch irgendwie ... faszinierend.
Er hätte gern ihre Sprache verstanden und gewusst, was sie sagten. Er trug dreizehn uralte Wesen in sich! Was könnten sie ihm aus der grauen Vorzeit erzählen? Von den Tuatha De Danaan und der Welt vor viertausend Jahren? Davon, wie es war, so viel Macht zu haben ...
Wenn du sie zu einem Zwiegespräch ermutigst, stehst du auf der Schwelle zum Tor der Hölle.
Ja, das wusste er.
Du kannst dich ohnehin nicht auf das verlassen, was sie sagen.
Trotzdem ...
Kein Trotzdem!, schimpfte sein Ehrgefühl. Es ist mir egal, wen du heute vögelst, aber tu ' s einfach.
Dieser Rat rüttelte ihn wach. Er würde zu Chloe gehen. Wenn er zu einer anderen Frau ging - und sei es nur aus Achtung vor Chloe und um sie vor seiner brutalen Begierde zu bewahren - und sie dahinter kam, würde sie niemals mit ihm schlafen. Die Dinge könnten eine katastrophale Wendung nehmen, und zwar sehr schnell. Er befürchtete, dass er Gewalt anwenden könnte, wenn sie ihn zurückwies. Das wollte er Chloe nicht antun - er wollte sie nicht verletzen.
Der Gegenpart zu seinem Ehrgefühl höhnte: Na und ? Wenn sie dich nicht ranlassen will, sprichst du einfach mit der Stimme der Macht zu ihr. Du redest ihr ein, dass sie das, was sie nicht mag, vergessen soll. Dass sie dich liebt und vergöttert. Du brauchst ihr bloß zu sagen, dass sie dich lieben soll, und schon tut sie's. Es ist ganz einfach. Alles kann so sein, wie du es willst...
»Dageus!« Silvan schlug mit der Faust auf den Tisch.
Dageus zuckte erschrocken zusammen und starrte seinen Vater an.
»Wo warst du?«, rief Silvan besorgt und wütend zugleich.
»Hier«, sagte Dageus. Er horchte. Ein leises Wispern und ein Rascheln regte sich in ihm. Ein schwaches Stimmengemurmel.
»Ich habe dreimal deinen Namen gerufen, und du hast nicht mal mit der Wimper gezuckt! Was war mit dir?«
»Ich ... ich habe nachgedacht.«
Silvan musterte seinen Sohn aufmerksam. »Du hast dabei sehr seltsam ausgesehen, mein Junge.«
Dageus wollte lieber nicht wissen, wie er ausgesehen hatte. »Es geht mir gut, Da«, sagte er und erhob sich. »Ich weiß nicht, wann wir zurückkommen. Wartet nicht mit dem Essen auf uns.« Er ging hinaus, und Sil vans durchdringender Blick folgte ihm.
Neil stellte zwei Becher mit Kakao auf ein Tablett und machte sich auf die Suche nach ihrem Mann. In einen der beiden Becher hatte sie spezielle Kräuter gemischt für einen zerstreuten Gelehrten, der das Essen oft vergaß.
Ihr Mann - diese Worte zauberten ein Lächeln auf ihre Lippen. Vor fünfzehn Jahren hatte Silvan sie gefunden, als sie dem Tode nahe auf der Straße lag. Er hatte sie in sein Schloss gebracht, hatte an ihrem Bett gesessen und von ihr verlangt, dass sie um ihr Leben kämpfte, obwohl sie sich damals sehnlich den Tod gewünscht hatte.
Bevor Silvan sie bei sich aufgenommen hatte, war sie die Geliebte eines verheirateten Laird gewesen, den sie von ganzem Herzen liebte und mit dem sie Kinder hatte. Damit zog sie den Zorn seiner eifersüchtigen, unfruchtbaren Frau auf sich. Aber ihr Geliebter schützte sie, solange er lebte. Als er jedoch bei einem Jagdunfall ums Leben kam, raubte seine Frau ihr die Kinder, warf die Mutter aus dem Haus und ließ sie halbtot prügeln. Die brutalen Schläger warfen sie auf die Straße und ließen sie dort liegen.
Sie erholte sich von ihren Verletzungen und war zwölf Jahre lang Hauswirtschafterin im Keltar-Schloss; sie sorgte für Silvan und zog
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