Der dunkle Highlander
Barton-Drew den Hörer auf die Gabel. Trevor hatte sich seit vierzehn Stunden nicht gemeldet. Simon versuchte seit dem frühen Morgen, ihn auf seinem Handy zu erreichen. Aber vergebens. Das konnte nur eins bedeuten.
Er trat gegen einen Stuhl und stieß ihn quer durch den Raum. Es wäre ihm lieber, Trevor wäre tot.
Wütend ging er zur Tür seines Büros und schloss ab. Bevor er die Jalousien herunterließ, sah er hinaus auf die regennasse Straße. Abgesehen von einer räudigen Straßenkatze, die mit viel Lärm etwas Fressbares aus einer Mülltonne fischte, war alles still. Die Straßenlaternen summten. Simon verbrachte in diesem heruntergekommenen Belthew Building an der Morgan Street so viel Zeit, dass er sich in dem schäbigen Londoner Stadtrandviertel mehr zu Hause fühlte als in dem eleganten Haus, wo seine Frau schon seit zwanzig Jahren nicht mehr mit dem Dinner auf ihn wartete.
Das Grundstück, auf dem das Belthew Building stand, gehörte seit Jahrhunderten der Druiden-Sekte der Draghar. Unter der Erde befanden sich labyrinthartige Katakomben. Dieses Haus und alle anderen, die vorher über den Katakomben errichtet worden waren, dienten den Draghar seit fast tausend Jahren als Hauptquartier. Früher war eine Apotheke in dem Gebäude untergebracht, dann ein Buchladen für seltene antiquarische Bücher, später eine Metzgerei, und sogar mal ein Bordell. Jetzt befand sich hier eine kleine Druckerei, die kaum Aufmerksamkeit auf sich zog, und von einer Verbindung zu der einflussreichen Triton Corporation gab es keine Spur.
Ihre Mitglieder bildeten die gesellschaftliche Elite. Viele waren in der Regierung tätig, aber die Mehrheit arbeitete als leitende Angestellte in großen Firmen. Sie waren wohlhabend, gebildet und von untadeliger Herkunft.
Und sie würden wütend werden, wenn sie erfuhren, dass Simon mit Trevor keine Verbindung mehr hatte. Simon Barton-Drew war zwar Meister des Ordens, aber dennoch musste er Rechenschaft ablegen. Und in dieser heiklen Angelegenheit sah man ihm genau auf die Finger. Seine Mitbrüder hatten viel Geld und Zeit in die Sekte investiert, weil man ihnen die absolute Macht versprochen hatte. Sie würden ohne Skrupel kurzen Prozess mit Simon machen, falls er seine Handlanger nicht hart genug anfasste.
Simon knipste die Lichter aus und bewegte sich sicher durch das dunkle Büro. Er nahm ein Gemälde ab, das an einer der vielen Holzpaneele hing, mit denen die Wand vertäfelt war, und tippte ein paar Ziffern in das Zahlenschloss. Dann hängte er das Gemälde wieder auf, und als eins der Paneele hinter seinem Schreibtisch aufglitt, öffnete er dahinter eine Tür und ging durch einen schmalen Flur.
Nach einigen Minuten hatte er mit einem komplizierten Zahlencode zwei gut gesicherte Türen geöffnet und gelangte in einen Durchgang, der nach unten zu einer steilen ausgetretenen Stein treppe führte. Unten angekommen, lief er durch ein Gewirr von schwach beleuchteten, feuchten Tunneln.
Er musste jemanden nach Inverness schicken, der Nachforschungen anstellte, ob Trevor lebend gefangen genommen worden war. Und wenn das der Fall war, musste der Gesandte die Sache in Ordnung bringen. Mit diesem Auftrag konnte er nur seine loyalsten Männer betrauen. Männer, die es niemals zulassen würden, dass sie dem Feind lebend in die Hände fielen. Die ohne zu zögern für Simon sterben würden. Die besten, die er hatte.
Seine Söhne hielten sich dort auf, wo sie meistens waren - sie überwachten im elektronischen Herzen der Organisation die zahlreichen Geschäfte. Und sie waren ihm wie immer sofort zu Diensten.
Nach dem Frühstück bat Dageus Neil, Chloe einen leichten Umhang herauszusuchen, in dem sie reiten konnte. Chloe, die sich gar nicht an ihrer Umgebung satt sehen konnte, ließ sich bereitwillig aus der Großen Halle führen.
Als die Frauen weg waren, zog Silvan eine Augenbraue hoch und sah seinen Sohn fragend an. »Möchtest du dir nicht lieber gleich die Schriften vornehmen?«
Dageus schüttelte den Kopf. »Ich brauche diesen Tag. Ich muss Chloe meine Welt zeigen. Wie sie war. Wer ich war. Nur diesen einen Tag.« Das war nicht die ganze Wahrheit. Er hatte eine fürchterliche Nacht hinter sich, und der Tag hatte auch nicht besser angefangen. Dageus hatte kaum ein Auge zugetan und war angespannt wie die Sehne eines Bogens. Die Zeit bis zum Morgengrauen hatte er mit Fantasien totgeschlagen, wie er Chloe lieben würde. Beim Frühstück hatte er den Schein kaum wahren können. Und als Chloe
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