Der dunkle Kreuzzug
seine Schriften geschrieben worden war – und davon schien es mehr als genug zu geben, was insofern überraschte, da diese Schriften rund neunhundert Jahre alt waren. Vor seiner Zeit mit der Kanev-KI hatte er noch nie den Namen Machiavelli gehört.
Jetzt hörte er jeden Tag von Machiavelli persönlich.
An einem strahlenden Morgen im Pali Tower nahm Nic unversehens im Sessel vor St. Giles’ Schreibtisch Gestalt an. Er war nicht aktiviert worden. Tonio war damit beschäftigt, Personalakten zu sichten und zu entscheiden, welche Agenten gegebenenfalls in die inneren Geheimnisse des Ordens eingeweiht werden sollten. St. Giles ließ die Daten mit einer Geste verschwinden, faltete die Hände und sah die KI an.
»Du unterbrichst mich nur, wenn es etwas Wichtiges gibt, Nic.«
»Das ist richtig, Maestro.« Nic schlug die Beine übereinander und legte die Hände um das Knie. »Und ich glaube, dass dies eine interessante Angelegenheit sein dürfte.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Wir haben eine Anfrage vom Hohen Nest erhalten, die ein Mitglied des Ordens betrifft. Oder besser gesagt: ein ehemaliges Mitglied.«
»Das ist seltsam.«
»Keineswegs. Die Anfrage kommt vom Gyaryu’har persönlich und betrifft einen gewissen John Smith, Mitglied des Ordens von 2413 bis 2415.«
»Ist das sein richtiger Name? Klingt mehr wie ein Alias des Imperialen Geheimdienstes.«
»Offenbar ja. Es ist der Name, der in seiner Personalakte steht. Er ist Waise und kam in einem Geburtslabor auf der Erde zur Welt. Die Aufzeichnungen ergeben, dass er während eines Einsatzes verschwand und sich nie zurückgemeldet hat.«
»Er verschwand ? Soll das heißen, er wurde entführt? Oder ist er desertiert?«
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Nic, nahm das Bein wieder herunter und lächelte flüchtig. »Das soll heißen, dass meine Datenbank keine Informationen zu diesem Punkt enthält. Auch die Anfrage des Hohen Nests bringt kein Licht in die Angelegenheit. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Was immer dem Hohen Nest darüber auch bekannt sein mag, es hat sein Wissen nicht mit uns geteilt. Anfangs war sogar unklar, warum es überhaupt zu dieser
Anfrage kam. Aber die Existenz eines ungewöhnlichen Zufalls ließ meine höheren Sicherheitssubroutinen aufmerksam werden. Hüter John Smith verschwand im Dienst auf dem Imperator-Willem-Raumhafen im Harrison-System.«
Tonio war klar, dass dieser Punkt für Nic große Bedeutung besaß, die er selbst aber nicht nachvollziehen konnte. Er sah Nic ausdruckslos an und wartete, dass der fortfuhr.
Die KI wartete ein paar Sekunden und sagte dann: »Wenn ich Sie an etwas erinnern darf, Maestro.« Er machte eine Geste, dann entstand neben ihm ein Holo, das einen wohlhabenden Geschäftsmann in teurem Anzug zeigte.
Owen Garrett.
»Garrett? Was hat Garrett damit zu tun?«
»Zwei Tage vor dem Besuch des Imperators im Harrison-System wurde Garrett dort gesichtet. Exakt zu der Zeit, als Hüter Smith verschwand.«
Antonio St. Giles stand so abrupt auf, dass sein Stuhl gegen die Wand hinter ihm schlug.
»Das bedeutet, dass dieser Smith fast sicher mit Commander Garrett zusammentraf. Dann ergab sich eine von zwei Möglichkeiten: Entweder entführte Garrett ihn aus einem uns nicht bekannten Grund, oder die beiden entschieden sich, ebenfalls aus nicht bekannten Gründen, gemeinsame Sache zu machen, und Smith desertierte.«
»Und deshalb sind das Hohe Nest und der Gyaryu’har an ihm interessiert.« St. Giles begab sich zum Holo und ging langsam darum herum, als hielte er es für notwendig, es aus allen Blickwinkeln zu betrachten.
»Heißt das, das Hohe Nest hat Garrett beschattet? Oder ist man nur an Smith interessiert? Hat man dort diese Verbindung ebenfalls erkannt?«
»Mir stehen nicht genügend Daten zur Verfügung, um diese Fragen zu beantworten, Maestro.«
»Also gut«, sagte Giles und sah Nic an. »Das erklärt …« Er drückte
eine Hand auf seine Stirn. »Das erklärt eigentlich überhaupt nichts! Ist Garrett ins Harrison-System gereist, um sich mit diesem speziellen Hüter zu treffen … Nic, zeige mir die Dienstakte von John Smith an.«
Texte und Bilder tauchten gleich neben der sitzenden KI in der Luft auf. Das war er also: ein Hüter, der von den Imperialen Marines kommend rekrutiert worden war, nachdem er ungewöhnliche Begabungen hatte erkennen lassen.
Plötzlich … »Das ist doch der Mann, der Anderson das Leben schwer macht!«, erklärte er. »Das ist der Mann, der ihm bei ARIEL die Nachricht
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