Der dunkle Kreuzzug
Spur zu grausam.
Doch je länger Tonio darüber nachdachte, umso mehr leuchtete ihm die Logik des Ganzen ein. Smith und Garrett voneinander zu lösen, indem der eine den anderen umbrachte – damit wären zwei Probleme auf einen Streich gelöst.
»Nic«, sagte St. Giles schließlich und drehte sich zu der KI um. »Du bist ein Genie.«
Nic entgegnete nichts, sondern sah seinen Commander mit einem jahrhundertealten, rätselhaften Lächeln auf den Lippen an.
11. Kapitel
Die Bewegung ›Flammender Stern‹ gewann erst an Bedeutung, als sie Anhänger in Machtpositionen fanden. Der verlockende Gedanke, dem Krieg ein Ende zu setzen, sprach die Leute an, und die Tatsache, dass man auf der Seite der Sieger stand, machte die Idee noch unwiderstehlicher.
Autor unbekannt
Der Dunkle Kreuzzug und seine Geschichte,
Frühes Fragment, erschienen ca. 2430
Juni 2422
Imperiales Genf, Sol-System
Genf im Sommer war ein erfrischender, warmer Ort mit einer angenehmen Brise, die vom See herüberwehte. William Clane Alvarez, Duke of Burlington und Erster Lord der Admiralität, gab dem Zuhause der Imperialen Versammlung den Vorzug vor der tropischen, schwülen Luft auf den hawaiianischen Inseln auf der anderen Seite der Welt. Aber es war nicht nur das Wetter, das für ihn Grund zu der Freude war, weit weg vom Hof des Imperators zu sein. Von zwei kurzen Phasen abgesehen, während derer die Opposition die Kontrolle über die Versammlung hatte, war er seit fast dreißig Jahren – also schon seit der Zeit vor dem Krieg gegen die Vuhl – Erster Lord, und er war es so leid. Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, fühlte er sich zu alt für alles, was damit zusammenhing.
Er kam soeben von einer kurzen Besprechung in einem kleinen Büro des Palais des Nations mit Antonio St. Giles, dem Commander der Hüter. Es war alles andere als erfreulich gewesen.
»Das Gleichgewicht verändert sich da draußen«, hatte St. Giles zu ihm gesagt. »Wir haben eine neue Waffe.«
»Der Satz sollte eigentlich von mir kommen«, erwiderte Alvarez. »Zu schade, dass dem nicht so ist.«
»Seien Sie sich da nicht so sicher.«
Alvarez versuchte, den Gesichtsausdruck des jüngeren Mannes zu deuten. »Sie wissen irgendetwas, das ich nicht weiß«, sagte er schließlich. Auch wenn es nach einer Aussage klang, war es in Wahrheit doch mehr als Frage gemeint.
»Wir haben Zugriff auf etwas, dem der Feind nichts entgegensetzen kann. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Wir werden einige Spezialisten einsetzen, die den Krieg zum Feind tragen.«
»Ich bin davon nicht in Kenntnis gesetzt worden.«
»Hier.« St. Giles hielt ihm einen Computer hin. »Da finden Sie alles, was Sie wissen wollen.«
Alvarez zögerte ein paar Sekunden lang, ehe er den Computer an sich nahm. »Was genau ist da drauf?«, fragte er schließlich.
»Sie haben den Bericht darüber gesehen, was sich bei ARIEL und bei allen anderen Zielen abgespielt hat?«
»Ich hatte sogar die zweifelhafte Ehre, den Bericht Seiner Imperialen Hoheit zu überbringen, Commander.« Alvarez blickte niedergeschlagen drein, dann zeichnete sich Entsetzen auf seiner Miene ab. »Augenblick mal, es geht um ihn, nicht wahr? Um den Typen von ARIEL. Der, der Admiral Anderson gesagt hat, er würde sich mit ihm bei KEYSTONE treffen. Mein Gott, den wollen Sie benutzen?«
»Er wurde an Bord der Emperor Ian in Haft genommen.«
»Das weiß ich.«
»Wir werden ihn gegen KEYSTONE einsetzen.« St. Giles zeigte auf den Computer. »Darin finden Sie alles. Wenn Anderson den Sprung nach KEYSTONE unternimmt, wird er ›den Typen‹, wie Sie ihn nennen, mitnehmen.«
»Tja, da gibt es nur ein Problem«, hatte Alvarez daraufhin gesagt. »Sie müssen wissen, dass Anderson längst auf dem Weg
nach KEYSTONE ist, Commander. Aber Ihr wertvoller Gefangener befindet sich im Hochsicherheitstrakt der Oberon-Sternbasis. Er wird nirgendwohin reisen.«
Crozier-System
In ihrem Traum war Ch’en’ya auf der Gefahrvollen Stiege gewesen.
Sie hatte über die Möglichkeit nachgedacht, dass es vielleicht gar nicht ihr Traum war. Die Ebene des Schlafs war vor vielen Zyklen verletzt worden. Sie war sich dessen bewusst, wie si S’reth, ihre Mutter und andere sie verletzt hatten: Dort gab es viele Formen und Aspekte des Täuschers, und ihre eigenen Träume waren davor nicht geschützt.
Dennoch wäre schon ein mächtiger e’gyu’u nötig gewesen, um in ihren eigenen Traum einzudringen. Dessen war sie sich gewiss. Der Lord der Schmach
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