Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
Schwierigkeiten. Und lange dauert es nicht mehr, bis die Wächterschatten wieder ihren Spaß haben.
    Folge ihr auf die Treppe!, befahl meine sachliche Stimme. Da hast du wenigstens die bessere Position.
    Die Männer waren betrunken, ihre stampfenden Schritte brachten die Holzstufen des alten Leuchtturmes zum Schwingen. Einer erwischte mich am Hosenbein und brachte mich zu Fall. Ich trat zu und entwischte nur mit knapper Not einer Faust. Ich rannte keuchend weiter bis zu den Resten einer alten Tür. Ein langes blondes Haar hing daran. Die Diebin war also hindurchgeschlüpft.
    Ich riss einen morschen Balken, der nur noch an einem Nagel hing, ab, und schleuderte ihn den Männern zwischen die Füße. Es war mein Vorteil, dass sie angetrunken waren, der erste stolperte und riss den zweiten mit. Polternd stürzten sie auf die Treppe hinunter. Das gab mir sicher eine Minute Vorsprung.
    Und oben sitzt die Schöne in der Falle . Es sei denn, sie kann fliegen . Schnaubend stürzte ich in den obersten Raum. Ich war überrascht, als ich Meer schimmern sah, und den Vollmond, der wie ein Auge am Himmel stand. Der Leuchtturm war wirklich Stückwerk, Stürme und Meeresgischt hatten den Mörtel zerfressen, Lücken klafften in den Wänden. Die Blonde hatte sich in den Schatten eines Winkels geflüchtet. Sie wollte zur Seite ausweichen, aber ich stieß den Stock in die Wand und trieb sie zurück.
    »Diebin«, schleuderte ich ihr entgegen. »Wo ist Tian?«
    Sie starrte mich nur aus aufgerissenen Augen an, den Rücken gegen die Wand gepresst wie ein Tier, das ein Jäger in die Enge getrieben hat. Aber eine Sekunde später lernte ich eine neue Lektion: Ich war es, die wie ein Schaf in die Falle gelaufen war.
    Ihre Bewegung war so schnell, dass ich sie kaum wahrnahm. Etwas zischte durch die Luft, traf mich mit voller Wucht gegen die Brust und schleuderte mich nach hinten. Greller Schmerz nahm mir die Sicht und die Luft. Über mir pendelte ein riesiger Eisenhaken an einem Seil. Irgendein Teil analysierte ganz sachlich, was geschehen war. Amads Geliebte hatte mich herankommen lassen. Und dann hinter ihrem Rücken ein Seil gelöst, das über eine Seilwinde zu einem schweren Haken führte. Das ist kein Stadtmädchen , dachte ich noch, während ich auf die Beine kam. Sie bewegt sich wie eine Kämpferin.
    Sie schrie auf, als ich sie mit dem Stock erwischte, aber noch im Fallen federte sie über die Hände hoch und katapultierte sich mit einer Drehung des Köpers in die Luft. Der Tritt kam so schnell, dass ich ihn kaum spürte, er tat nicht einmal weh – aber die Kraft warf mich wie von selbst nach hinten. Eine Eisenstange schnitt mir in die Kniekehlen, eine lächerlich nutzlose Absperrung, die das fehlende Fensterbrett ersetzen sollte. Ich weiß nicht, wie es mir noch im Fallen gelang, nach der Absperrung zu greifen. Fingernägel kratzten über Rost und ich erwischte auch einen abgebrochenen Mauerstein. Ein mörderisch harter Ruck im Schultergelenk trieb mir die Tränen in die Augen. Jetzt hing ich an den Händen an der Außenseite des Turms, unter mir nur noch die Tiefe und das Meer, und versuchte mit den Füßen Halt im Mauerwerk zu finden. Wie in einem Albtraum sah ich, wie die Diebin sich nach meinem Stock bückte und ihn aufreizend langsam aufhob. Sie wird mich töten , kreischte es in mir. Aber aus meiner Kehle kam nur ein Wimmern. Krampfhaft versuchte ich mich hochzuziehen, meine Muskeln brannten.
    Sie trat an den Abgrund und beugte sich vor.
    »Nein!«, brachte ich endlich hervor.
    Sie zögerte tatsächlich, eine Ewigkeit, in der mein Blut laut wie Sturmtosen in meinen Ohren rauschte und meine ganze Haut ein Meer von heißen Panikstichen war. Ihr blondes Haar fiel über die rostige Stange, verfing sich in der rauen Struktur. Wenn ich die Kraft gehabt hätte, ich hätte mich in dieses Haar gekrallt und sie wenigstens mit in den Abgrund gerissen.
    Das Mondlicht spiegelte sich in ihren Augen. Tränen glänzten darin.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Verzeiht mir!«
    Dann versetzte sie mir den letzten Stoß.
    Komischerweise war es, als würde ich stillstehen und jemand würde die Welt von mir wegziehen. Ich spürte den Schmerz nur wie ein fernes Echo und die Panik wie etwas Fremdes, das mich aus meinem eigenen Körper schlug. Das Gesicht meiner Mörderin wurde kleiner und kleiner. Und zersplitterte in kalten, flüssigen Marmor.
    Der Aufprall holte mich aus der Taubheit des Schocks zurück. Salz brannte in

Weitere Kostenlose Bücher