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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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tatsächlich gewesen waren, aber umso kostbarer. Ich schmeckte das Meersalz und den Sandwind, durchlebte den Sturz in die Bergkirche und die Prügelei im Gasthaus, und jede Gefahr glomm wie ein wärmendes Feuer – auch dann noch, als wir längst verstummt waren und das wirkliche Feuer fast verloschen war.
    Der Sturm ließ nicht nach, der Hagel vermischte sich mit Donnerschlägen. Das Knochengetrommel war wie eine einschläfernde Melodie. Die Reste der Möwe und die leeren Konserven lagen im Sand. Amad und ich waren eng zusammengerückt und fingen die letzte Wärme. Die alte Graue schlief schon seit Stunden an mich gedrängt, ihr Kopf lag schwer und warm auf meinem Oberschenkel, sie winselte manchmal, als würde sie träumen. Ihre Hinterpfote zuckte im Schlaf. Meine Alte , dachte ich liebevoll. Schrecken der Schlangen, Möwen und Haie.
    »Wie lange wird der Hagelsturm noch dauern?«
    »So lange, bis das Lösegeld bezahlt ist. Hast du es so eilig, wieder in die Kälte zu kommen?«
    »Sie laufen uns sonst davon.«
    »Wir holen sie ein! Der Sturm wird sie aufhalten. Wenn er ihnen nicht sogar die Knochen bricht, falls sie keinen Unterschlupf finden.«
    Ich wusste nicht, was schlimmer war: Die Vorstellung, dass Tian verletzt wurde, oder das Bild, wie die beiden in einem anderen Unterschlupf ausharrten, eng umschlungen.
    »Was meinst du mit Lösegeld?«
    Amad warf mir einen Seitenblick zu. »Du kennst die Geschichte von dem Mann, der die Sterne stahl, nicht?«
    »Ist das eine Frage oder ein Witz?«
    Er lachte leise, ich konnte es mehr spüren als hören. »Weder noch. Hör zu!«
    Diesmal verstand ich genau, was Juniper für Amad empfand. Seine Stimme trug mich hinauf zum höchsten Berg in Medas Land, zu einem Mann, der reicher als alle anderen sein wollte. Ich stieg mit ihm in den Himmel, stahl Stern für Stern und floh mit der Beute in die tiefste Höhle. Ich hörte seinen enttäuschten Schrei, als er entdeckte, dass Sternenglanz kein Gold ist, nur Licht. Aber er ließ die Sterne nicht frei, zu groß war sein Zorn. »Der Mond versprach ihm Reichtum«, raunte Amad mir ins Ohr. »Ein Lösegeld, tausendmal kostbarer als Gold. Und als der Mann unter den großen, leeren Himmel trat, löste der Mond sein Versprechen ein. Er warf Perlen und Diamanten vom Himmel, so kostbar und groß, dass der Mann erschlagen wurde. Nichts blieb von ihm als Blut und zerbrochene Knochen. Der Mond verwandelte die Juwelen zu Eis, so kalt wie das Herz des gierigen Mannes. Sie schmolzen zu Wasser, das Wasser versickerte und floss in Höhlen, und schließlich erreichte es die Sterne, schwoll zu einem Fluss an und trug sie aus den Höhlen in die Nacht, wo sie auf den Mondstrahlen in ihre Heimat zurückkehrten.«
    Die Milchstraße , war mein letzter Gedanke. Ich erinnerte mich daran, dass ich immer gewusst hatte, wie viele Sterne sie barg, aber zum ersten Mal in meinem Leben fiel mir eine Zahl nicht ein.
    *
    Diesmal hatte ich nicht geträumt, mein Schlaf war weich wie Samt, durch den kein Bild schimmerte, und als ich nun die Augen aufschlug, war es um mich so dunkel, dass ich mich fragte, ob ich wirklich wach war. Ich erinnerte mich, dass ich noch im Wegdämmern Amads Stimme gehört hatte. Draußen rauschte nur noch Regen und an meiner Wange waren Wärme und … ein Herzschlag. Sofort war ich hellwach und mein Herz raste. Im Schlaf hatte ich mich an Amad geschmiegt, meine Wange lag an seiner Halsbeuge. Seine Lippen waren so nah, dass sein Atem über meine Haut strich. Die Dunkelheit war wie ein eigener Raum, zeitlos und unwirklich, als würde nichts, was darin geschah, mehr gelten als ein Traum. Und dieser Raum schien leer zu sein – keine Stimmen, keine Lichter. Noch nie war ich so allein gewesen und noch nie so froh darüber. Das Einzige, was mir hier nahe war: die Wärme von Amads Haut, sein Duft nach Wüste und Feuer. Und ein Kuss voller Verrat und Leidenschaft, an den sich mein Mund mit solcher Intensität erinnerte, dass mir heiß wurde.
    Ich wusste nicht, warum ich gerade jetzt an die Jagdlektionen denken musste, an die verwundbaren Stellen, die es zu finden oder zu schützen galt. Und hier, im Dunkeln, konnte ich mir eingestehen, was ich vor mir selbst am sorgfältigsten verborgen hatte.
    Meine Finger strichen über rauen Mantelstoff, fanden die Stelle, an der der Kragen zusammenfand, schoben sich darunter und berührten Haut.Und dann konnte ich nicht mehr widerstehen, obwohl ich wusste, dass ich diese Sekunden einer fremden Liebenden

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