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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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noch blasser. Er schüttelte den Kopf, aber auch ich kannte ihn lange genug.
    »Warum bist du hier, Canda?« Seine Stimme hatte eine Kälte und Härte, die jedoch neu für mich war. »Wollen die Mégan ein Zeichen setzen? Die stolze Moreno-Prinzessin nimmt persönlich Rache und führt den Deserteur im Triumphmarsch in Ketten nach Ghan zurück?«
    Jetzt hätte ich gute Lust gehabt, mit der Faust auszuholen. »Du wagst zu fragen, warum ich hier bin?« Die Graue duckte sich und wich ein Stück zurück. »Du weißt genau, was du mir genommen hast! Und ich habe dich geliebt!«
    »Hast du das?«, gab er leise zurück. »Wirklich? Oder war es nicht doch eher die Macht, die wir beide in den Händen hielten? Hättest du mich geliebt, wenn deine Familie es dir nicht befohlen hätte? Und wenn unsere Unterschriften nicht auf einem siebzigseitigen Vertrag prangen würden?«
    Er war gefesselt, verletzt und ausgeliefert. In einem anderen Leben hätte ich fair und vernünftig reagiert, aber vielleicht war ich ja noch nie eine freundliche Person gewesen. Meine Finger gruben sich so fest in seine Kehle, dass er aufkeuchte. Ich spürte eine grimmige Genugtuung, als ich nun doch Angst in seinen Augen aufflackern sah. »Ich habe dich geliebt!«, zischte ich. »Und wir hatten uns geschworen, eine Seele zu sein. Aber jetzt habe ich nur noch drei Gaben, meine vierte hat versucht, mich zu ertränken wie eine räudige Katze. Mein Versprochener hat mich an unserem Hochzeitstag verlassen – mit Rate-mal-wem. Und hintergangen hat er mich offenbar schon länger. Und abgesehen davon, dass du Bastard keinen Funken Reue zeigst, schuldest du mir wenigstens eine Antwort auf meine Frage: Warum, Tian?«
    Er schluckte schwer, aber er wäre nicht Tian Labranako gewesen, wenn er mir nicht weiterhin ins Gesicht geschaut hätte. Seine grünen Augen blitzten vor Wut und Verzweiflung. Noch nie hatte er mich so hasserfüllt angesehen. Ich bin sein Feind , dachte ich. Ich hatte hart sein wollen, aber jetzt saß mir doch ein Kloß in meiner Kehle. Ich ließ ihn los. Ich hatte zu fest zugepackt, meine Fingernägel hatten tiefe Abdrücke in seiner Haut hinterlassen. Jetzt schämte ich mich dafür, mich so vergessen zu haben. »Warum?«, wiederholte ich leiser. »Was ist passiert? Wann haben wir aufgehört, Freunde zu sein?«
    Ein gequälter Ausdruck huschte über seine Miene. »Selbst wenn ich es dir erkläre, du würdest es nicht verstehen, Canda«, brach es aus ihm heraus. »Du bist eine Moreno, du bist stolz darauf, und dein ganzes Leben gründet auf Macht. Du hast dich nie wie eine Gefangene deiner Familie und deines Schicksals gefühlt. Und du weißt nicht, wie es ist, dich nach etwas, das du niemals haben kannst, zu sehnen. Du warst glücklich mit deinem Leben. Ich dagegen … war ein Gefangener, seit dem Tag meiner Geburt. Seit ich denken kann, versuche ich einen Fluchtweg zu finden, schon als Kind, erinnerst du dich nicht?«
    Ich hätte jeden Eid geschworen, dass ich Tian nur noch abgrundtief hasste, aber in diesem Moment war alles wieder da: unsere Kindheit in Palasträumen, die Spiele und das Lachen – unsere geheimsten Gedanken, die wir als Freunde geteilt hatten wie Schätze, die wir vor anderen gut verbergen mussten.
    »Du weißt gar nicht, wie oft ich wirklich weggelaufen bin und zurückgeholt wurde, meine Eltern vertuschten es. Ärzte verschrieben mir noch mehr Schlafmittel und versuchten mir die Träume auszutreiben, aber ich ließ mich nicht einschläfern, ich lernte nur, mich besser zu verstellen, aber ich … war ein anderer!«
    »Warum hast du mir nie etwas gesagt?«
    »Einer Moreno wie dir? Du wärst die Erste gewesen, die mich verurteilt hätte.« Diesmal war ich nicht stolz darauf, aber wir kannten einander wirklich gut.
    »Es gibt so viel mehr, als wir wissen«, fuhr er hastig fort. »Es ist uns verboten, es zu sehen, weil die Méganes es Aberglaube nennen. Aber ich … träumte, Canda, ich suchte nach den Bildern der Nacht. Und bald träumte ich auch mit offenen Augen. Ich war oft heimlich im vierten Ring unter den Barbaren, ich lernte von ihnen, hörte ihre Geschichten – und sie waren um so viel wahrer als alles, was in unseren Büchern stand. Ich wusste, das ist das Leben! Und bei unserem ersten Kuss – da geschah es. Es war, als wäre ich plötzlich aufgewacht, zum ersten Mal in meinem Leben. Alles war so klar, jedes Geräusch und jede Farbe, jeder Gedanke. Und Kallas war da – in deinen Augen! Ich erkannte, dass ich sie schon so

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