Der dunkle Kuss der Sterne
– oder vielleicht immer noch gegen die Strömung kämpfte. Aber ich fand sie tatsächlich – mit tiefen Ringen unter den Augen und erschöpft reinigte sie das Transportboot am Rand des Fanghafens. Die beiden Haie waren nicht mehr auf dem Boot, nur die nassen Seile lagen noch darauf. Im ersten Moment fürchtete ich, dass Juniper unsere Beute im Sturm verloren haben könnte, aber dann entdeckte ich blutiges Werkzeug in einer Wassertonne. Jemand hatte den Fang schon verarbeitet. Ein erloschenes Schüreisen lag ebenfalls dort, die undurchdringliche Haut eines Eisenhais zerteilte man nicht mit Klingen, aber vielleicht mit Glut. »Keine Angst mehr vor Haien oder leichtsinnig geworden?«, rief ich. »Was machst du noch hier draußen? Gleich wird es dunkel!«
Juniper fuhr herum und stutzte kurz, aber sie erkannte mich auch ohne den Glanz meiner anderen Lichter und stieß einen Freudenschrei aus. Im nächsten Moment versank ich in ihrer Umarmung, die mich fast zerquetschte. »Wie kannst du schon hier sein?«, sprudelte sie hervor. »Hast du gezaubert? Wo ist Amad? Und hast du Tian gefunden? Mach schon den Mund auf, stummer Fisch!«
Eben hatte ich noch gelacht, jetzt aber fiel die ganze Sorge auf mich zurück. Ich wand mich aus ihrer Umarmung. »Amad und Tian sind gefangen genommen worden.«
Juniper klappte der Mund auf. »Was?«
»Es stimmt. Sie … sind auf dem Weg nach Ghan.«
»Es ist also schiefgegangen, ja? Verdammt! Komm mit zur Baracke und erzähl mir alles.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht zu den anderen, Juniper. Sie dürfen nicht hören, was ich dir zu sagen habe. Du hattest recht, ich stamme aus einer Dämonenstadt. Um Amad dort rauszuholen, muss ich wieder zu einer Dämonin werden. Und dafür … bitte ich dich um deine Hilfe.«
Ich rechnete es Juniper hoch an, dass sie nicht vor mir zurückwich, obwohl sich ihre Augen vor Schreck weiteten. Sie sah sich um, als könnte uns jemand belauschen, dann packte sie mich grob am Ärmel und zerrte mich einfach aufs Transportboot, dorthin, wo wir noch vor kurzer Zeit zusammengesessen hatten. Ich schielte unbehaglich zum Wasser, aber kein Hai ließ sich blicken. »Von Anfang an und diesmal die Wahrheit«, befahl Juniper. »Na los!«
Sie unterbrach mich kein einziges Mal. Und als ich endlich am Ende angelangt war, war sie blass geworden und starrte schweigend aufs Meer hinaus. Der allerletzte Glanz von Helligkeit spielte darauf und in der Ferne schnitten schwarze Flossen durch das Wasser.
»Das erklärt alles«, sagte sie nach einer Weile. »Die Wandelgestalten, die Verelendung der Städte … und Amad und dich.«
Nachdenklich betrachtete sie mich, und ich fragte mich mit bangem Herzen, was sie wohl in mir sah. Immer noch ihre Freundin? Oder ein Wesen wie ein Wandelhai?
»Nehmen wir an, ich wäre so verrückt und komme mit«, sagte sie nach einer Weile. »Was wäre mein Part bei der ganzen Mission?«
»Du kaufst den Méganes eine Gabe ab«, antwortete ich. »Vier Haihäute dafür habe ich schon. Aber die wichtigste ist die fünfte. Trotzdem kann ich dir nicht einmal versprechen, dass wir lebend aus der Wüste zurückkommen. Und ich verstehe es, wenn du lieber mit deiner Truppe nach Hause zurückgehst.«
Juniper schnalzte verärgert mit der Zunge. »Was wäre ich dann wohl für ein Mensch?«, wies sie mich rüde zurecht. »Und was wäre ich für eine Freundin, wenn ich dich allein in die Dämonengrube gehen und Amad in irgendeinem Kerker verrecken lasse?« Sie schüttelte den Kopf. »Du musst noch ganz schön viel über uns Barbaren lernen, Dämonenmädchen. Und außerdem: Mit Ködern kenne ich mich aus, im Gegensatz zu dir!«
»Bereit?«, fragte Meon. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass Juniper am liebsten in der Wand versunken wäre, damit er sie beim Vorbeigehen nicht streifte. Immer noch fühlte sie sich in Gegenwart der Lichter unbehaglich, aber in der Höhle am Schädelhafen konnten wir kaum Abstand halten. Meon trat hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern. Ich hörte nur Junipers scharfes, überraschtes Atemholen, dann wurde mir schwindelig und ich musste mich an der Wand abstützen, als hätte sich das Gewicht eines zweiten Körpers auf mich gesenkt. Ungewohnt war auch die kalte Nähe der Medaswaffe, die Meon gut versteckt am Körper trug. Ein schwarzes, langes Messer, das in beiden Wirklichkeiten bestehen konnte. Aber als ich die Augen wieder öffnete, gehörte die Welt mit ihren Wegen und Pfaden wieder mir. Trinn glitt als
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