Der dunkle Kuss der Sterne
Jagd wissen muss. Er hat mich gehen lassen – ohne zu wissen, ob ich zurückkehren würde. Du warst sogar bereit, mich zu töten, um Gavran zu retten. Und jetzt willst du ihn zurücklassen?« Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich werde mir Amad zurückholen. Und ich finde Gavran und befreie ihn. Ich weiß, wie ich ihn finden kann. Und wenn ihr nicht mitkommt, dann gehe ich allein und finde einen anderen Weg.«
»Aber ohne uns wirst du dabei nicht weit kommen«, erwiderte Kallas fast verärgert. »Gut, ich helfe dir.« Sie schenkte mir kein Lächeln, natürlich nicht, aber ich hätte das Mädchen, das mich beinahe getötet hätte, am liebsten umarmt.
»Wie weiter?«, fragte Meon in seiner sachlichen Art.
»Ich brauche das Festgewand aus einer der Truhen«, sagte ich hastig. »Und das Abzeichen des Gardekommandanten, den du getötet hast, Meon. Dann müssen wir so schnell wie möglich nach Tibris zurück. Ich glaube, von dort aus existiert der blaue Weg nach Ghan noch. Wäre ich Tana Blauhand, ich würde magische Wege niemals ganz zerstören. Nur in eine Richtung, um den Fliehenden den Weg abzuschneiden. Kallas hat versucht, die magischen Wege hierher zu gehen, aber sie waren verschlossen. Aber ich kann mir vorstellen, wer den Weg kennt und uns von Tibris aus direkt zurück nach Ghan bringen kann. Uns und … meine Verbündeten. Die beiden sind die Garantie, dass wir wirklich in die Stadt kommen. Und um von hier aus nach Tibris zu kommen, nehmen wir die Route der Soldaten. Ihre Motorboote liegen noch am Rabenhafen. Wir müssen sie stehlen und …«
Meon hob die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. »Wenn deine Vermutung stimmt, wird das nicht nötig sein. Nach Tibris gab es einst einen anderen Weg.«
*
Der Weg führte zu meiner Überraschung zurück zum Onyxfluss. Meda war klug genug gewesen, auch den Vertrauten keinen direkten Weg in den Glaspalast zu öffnen. Es war schon spät, als wir an der Stelle ankamen, zu der Trinn und Meon uns führten. Im Licht der untergehenden Sonne war der Fluss ein schwarzer Spiegel, aber irgendwo im Innern der Erde hörte ich ein Rauschen.
»Der Eingang ist verschüttet«, stellte Meon fest.
»Bitte sag mir, dass wir nicht wieder durchs Wasser müssen!«, flüsterte ich Wahida zu.
Sie lachte. »Tja, Wüstenmädchen, wir sind nun mal Wesen des Fließens, des Wassers und der Veränderung.« Sie nahm ihren Rucksack ab und holte eine Ladung Sprengstoff hervor. »Aber auch wir können nicht warten, bis das Wasser uns den Zugang freispült.«
Meon der Wegesucher schwamm durch das Sprengloch im Fels voraus. Wahida und ich warteten, bis alle anderen fort waren. Wahida umschlang mich mit einem Arm und trug mich mit sicherem Griff durch das Nass. Dann tauchten wir auf und mein keuchender Atem bekam ein Echo. Der Schein von Meons Feuerzeug beleuchtete eine Höhle unter der Wasserlinie. Morenoblau zierte die Wände, Muster, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. »Schließ die Augen, halt dich an mir fest und halt die Luft an, bis ich dir sage, dass du wieder atmen kannst«, flüsterte Wahida mir zu. Ihre Hand legte sich sanft auf meine Lider und schickte ein flirrendes Feuerwerk von Zahlen durch meine leeren Räume. Ich biss die Zähne zusammen, als die Kälte mir wieder über das Gesicht und in die Haare kroch. »Atmen«, flüsterte es, unendlich nah und weit entfernt. Die Welt rutschte wieder an ihren richtigen Platz und ich lag nach Luft ringend auf den Knien. Meine Hände gruben sich in etwas Weiches, Nasses. Die Luft schien heiß wie in einem Vulkan zu sein. Asche klebte an meinen Fingern, und als ich den Kopf hob, erahnte ich im Spalt einer anderen Höhle einen schwarzen Strand unter einem orangerosa Abendhimmel. Und dort, wie eingerahmt von den Felswänden, wartete schwanzwedelnd und außer sich vor Freude die Graue. Sie warf mich fast um, und ich lachte und weinte gleichzeitig, weil ich sie wiederhatte. Und noch etwas ließ mich für eine Sekunde einfach nur glücklich sein. Amad war hier! Und er hat mir ein Zeichen zurückgelassen: Meine Hündin trug die Reste eines Seils als Halsband. Und daran festgebunden war die lederne Armbinde, die Amads Sklavenzeichen verborgen hatte.
*
Den Soldatenmantel hatte ich in der Höhle zurückgelassen, das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, aufzufallen. Nur die Graue begleitete mich und drückte sich an mein Bein, als wollte sie mich nie wieder verlieren. Ich hatte Angst davor gehabt, dass Juniper schon fort war
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