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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ja nicht erwarten, von zu Hause wegzukommen.«
    »Zeigt mir einen hübschen Jungen in unserem Dorf und ich bleibe«, erwiderte Juniper mit einem Koboldgrinsen.
    »Als ob dir einer reichen würde!«, spottete die Rothaarige. »Wenn du so viele Haie an Land ziehen würdest wie Liebhaber auf dein Lager, wären wir am Ende der Saison reich.«
    Juniper zwinkerte mir zu. »Wer nimmt das bissige Fischmaul, wenn er sich stattdessen einen weichen Mund zum Küssen fangen kann?«
    Die Frauen empörten sich lachend, schalten sie. Spöttische Worte flogen hin und her, und nebenbei reichte Juniper mir den Wasserkrug, zückte einen Hornkamm und begann mein Haar zu entwirren. Es war ungewohnt, in einer Gruppe von Gewöhnlichen nicht im Mittelpunkt zu stehen.
    Nach und nach löste sich die Gruppe auf, die Frauen gingen zu ihren Lagern, nahmen Messer, Schnüre, Schuhe mit und verließen den Raum. Schließlich blieben nur noch Juniper und ich zurück.
    Ich trank den letzten Schluck Wasser und sah mich verstohlen um. Der Altarraum war mir immer noch auf merkwürdige Weise vertraut. Und da wäre noch die Tatsache, dass es ihn gar nicht geben darf.
    Juniper zerrte den Kamm durch mein Haar. Ich zuckte zusammen, aber ich verbiss mir eine Beschwerde. Sie war keine Dienerin und sie meinte es nur gut mit mir.
    »Hat ein Kojote deinen Zopf durchgenagt?«, fragte Juniper. »Keine Strähne hat die gleiche Länge.«
    »Es war … eine Art Unfall.«
    Sie schnaubte unwillig. »Du redest wirklich nicht gerne, hm?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Hatte ich sie irgendwie beleidigt? Aber sie drückte mir nur den Kamm in die Hand. »Mach es besser selbst, Uma sagt immer, ich reiße den Leuten nur die Haare aus.« Sie sprang von dem Altar und ging mit federnden Schritten zum Fenster. Die Graue hatte es sich dort in einer Nische bequem gemacht. Juniper klopfte ihr die Seite und der Hund wedelte mit dem Schwanz. »Feinen Hund hast du da! Er hat eine Felsviper erledigt. Die alte Kirche ist ein Schlangennest. Sie kommen aus den Bergen und verkriechen sich überall im Gemäuer – und oft genug auch unter den Fischernetzen. Ihr hattet Glück, dass keine euch gebissen hat, als ihr im Lager gelandet seid.« Sie hob meinen Gürtel auf und warf ihn mir zu. Zum Glück war mein Dolch noch da. Und rasch fühlte ich nach dem Ring und war beruhigt. »Mit der Hündin könntet ihr gutes Geld machen. Apotheker und Ärzte zahlen nicht schlecht für das Gift von Sandvipern.« Juniper kam zu mir und reichte mir einen Stock, der in einer kleinen hölzernen Gabel endete. »Hier! Bevor du irgendwas anfasst, klopfe mit dem Stock darauf. Das scheucht die Biester auf. Und falls dir doch mal eine zu nahe kommt, halte sie dir mit der Holzgabel vom Hals.«
    Immer noch irritierte sie mich mit ihrer direkten, fast groben Art, aber ich wagte ein Lächeln, das uns sofort verband. »Danke«, sagte ich und nahm den Stock. Er war glatt gerieben und lag gut in der Hand. Juniper musterte mich zufrieden. »Umas Hosen sind dir etwas zu kurz, aber das macht nichts. Jetzt siehst du aus wie eine von uns.« Ich musste schwer schlucken. Ich bin doch immer noch Canda Moreno , dachte ich. Oder nicht? Verstohlen fühlte ich nach der frisch verheilten Wunde in meiner Handfläche, dort, wo die Mégana mich verletzt hatte. Im Augenblick war das die einzige Bestätigung, dass meine Wirklichkeit immer noch existierte.
    »Schade, dass wir so knapp mit Wasser sind«, fuhr Juniper fort. »Die paar Wasserleitungen, die hier noch funktioniert hatten, spucken in diesem Jahr nur Dreck aus. Aber ich würde zu gern sehen, ob du unter der braunen Schale so eine schöne helle Haut hast wie dein Bruder.«
    »Was ist das für eine Kirche?«, fragte ich ausweichend. »Wem gehört sie?
    »Na, keinem – oder dem, der sich hier hochwagt. Und das sind nur Leute aus unserem Dorf.«
    »Aber wer hat das alles erbaut?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls hatten die Leute eine Schwäche für Adlernester, so hoch wie das Gebäude am Berg hängt. Für uns ist es praktisch – keine Menschenseele verirrt sich hierher. Naja, es sei denn, jemand fällt vom Himmel wie ihr. Im Spätherbst lassen wir unser Fischerzeug hier und holen es ab, wenn wir im nächsten Spätsommer wieder zum Meer wandern. Erspart uns viel Schlepperei.«
    Die Graue gähnte herzhaft, streckte sich und trottete leicht humpelnd zu mir.
    »Richtet ihr eure Hunde extra auf Schlangenfang ab?«, wollte Juniper wissen. Fieberhaft überlegte ich, was die glaubwürdigste

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