Der dunkle Kuss der Sterne
darin. »Werden wir ja sehen«, murmelte er. »Dämonen bluten nicht.« Sein Finger rutschte zum Abzug – genau in dem Moment, in dem Amad zur Waffe griff. Immer noch war ich zu benommen, um die Gefahr wirklich zu spüren. Ich sah nur wie in einem Film vor mir, was gleich geschehen würde: wie Amad seinen Revolver nach vorne riss und schneller abfeuerte als der Bärtige seine Waffe. Wie der Schuss aus dem Gewehr ins Leere ging, während der Mann nach hinten geschleudert wurde, sein Blut ein roter Regen, der auf staubigen Boden traf …
»Dämonen? Spinnst du, Perem?« Eine kleine, knochige Faust packte den Gewehrlauf und riss ihn hoch. Ein hübsches Koboldgesicht mit blitzenden grauen Augen wandte sich uns zu. Die junge Frau war zierlich, sie ging mir kaum bis zur Schulter, aber sie war sicher schon zwanzig. Schwarzes, kurzes Haar stand von ihrem Kopf ab. Wie die Männer trug sie auch eine Weste mit vielen Taschen und Hosen. »Und Diebe?« Sie lachte. »Seid ihr betrunken, Jungs? Bisschen viel Aufwand, um ein paar alte Harpunen zu stehlen, meint ihr nicht? Und die Kleine sieht aus, als hätten die Dämonen sie rückwärts durch die Dornenhecken gezogen. Die zwei sind nur knapp einer Windsbraut entwischt und ihr führt euch auf wie die Barbaren.«
Erstaunlicherweise ließ die gefährliche Spannung im Raum schlagartig nach. Die geisterhaften Schatten der getöteten Leibwächter verwehten wie Rauch. Der Bärtige senkte das Gewehr und sicherte es.
Amads Hand löste sich nur zögernd vom Revolver. »Wir fallen euch nicht zur Last«, sagte er. »Sobald wir unsere Sachen zusammengesucht haben, reisen wir heute noch weiter.«
»Das wollen wir hoffen«, knurrte einer der Männer.
Das Mädchen warf ihm einen tadelnden Blick zu.
»Ihr bleibt zumindest, bis ihr eure Knochen wieder zusammengesammelt habt«, bestimmte sie. »Wenn Enou auch anderer Meinung ist, gut. Aber bei mir seid ihr willkommen.« Das Mädchen drängte sich einfach an Amad vorbei und streckte mir eine Hand mit schwarz geränderten Fingernägeln hin. Dann entschied sie wohl, dass ich zu langsam reagierte, packte meine Rechte und schüttelte sie. »Soso, du sagst also nicht viel?« Sie grinste mich an. »Macht nichts. Die anderen behaupten, ich rede genug für uns alle. Ich bin Juniper. Perem ist mein Zwillingsbruder, ihn habt ihr ja gleich richtig kennengelernt.« Mit dem Daumen deutete sie über die Schulter auf den Bärtigen. »Das da hinten sind Enou und Loth, sie kommen aus dem Dorf Kahalo, wie wir alle. Wir sind nämlich auch Saisonarbeiter. Allerdings nicht auf dem Weg nach Süden, sondern nach Tibris, in drei Tagen beginnt dort die Fangsaison für die Haie. Sag mal, Schöne, hast du auch einen Namen oder seid ihr in Tamrar so arm, dass sich zwei Geschwister nur einen leisten können?«
Sie war ungestüm und fremdartig, aber ich mochte sie sofort. Gerne hätte ich ihr Lächeln erwidert, aber ihre Stimme wurde zu einem Echo, grelle Lichtpunkte tanzten vor meinen Augen. Der Schock holte mich ein. Der Raum begann sich um mich zu drehen.
»Sie heißt Smila«, echote Amads Antwort in meinem Kopf.
Juniper lachte. »Ach, immerhin zwei Namen, aber nur eine Zunge?«
Die Lichtpunkte wurden zu grellen Blitzen und meine Kopfhaut wurde erst heiß und dann kalt. »Hoppla«, hörte ich Juniper in weiter Ferne ausrufen, während alles um mich herum dunkel wurde. »Na, ich schätze, du gehst heute nirgendwohin, kleine Schwester!«
Es tat unendlich gut, dass Vida bei mir war, mir das Haar aus der Stirn strich und mit einem feuchten Tuch meine Lider kühlte. Im Hintergrund murmelten Dienerinnen, schleiften geschäftige Schritte. Zu Hause , dachte ich erleichtert. Mein armes stürzendes Pferd – nur ein Traum. Und auch der Mann, der nach Wüstenfeuern duftet, hat mich nicht auf seinen Armen durch den staubigen Palast der Fischer getragen. Und das Wichtigste: Ich spürte Tian wie einen zweiten Herzschlag, einen sachten Widerhall unserer Verbindung.
Ich lächelte, ohne die Augen zu öffnen.
»Na endlich!«, sagte Vida. »Guten Morgen – obwohl es ja schon Abend ist.« Das Tuch hob sich von meinen Lidern. »Du weißt schon, dass du blind werden kannst, wenn du deine Augen nicht besser vor der Sonne schützt?«
»Vida«, murmelte ich. »Ich habe furchtbar geträumt.«
»Glaub ich dir gerne, Schöne. Aber falls deine Windsbraut Vida hieß, würde ich sie lieber nicht rufen. Sonst kommt sie noch zurück.«
Die Dienerinnen verstießen gegen jede Regel – sie
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