Der dunkle Kuss der Sterne
einem gleißenden Licht. Aber diesmal war es nicht mein Glanz, nur der Zufall, dass ich auf Wasser gestoßen war.
»Hier ist ja endlich unsere Wasserfee!«, rief die Katzenfrau prompt. »Oh, und sie hat sich von einem Schlammspringer in eine blitzblanke Forelle verwandelt.«
»Eher in eine Windhexe«, berichtigte Juniper und zupfte an meinen Locken. Sie hatte nicht ganz unrecht. Mit dem Dolch hatte ich die verfilzten Strähnen knapp unter den Ohren abgeschnitten und mit Junipers Kamm entwirrt. Aber beim Trocknen hatten sich meine ehemals hüftlangen Wellen in eine Aura wilder Locken verwandelt.
Wasser musste auch hier sehr kostbar sein. Die Frauen klopften mir auf die Schultern und auch die Männer nickten mir anerkennend zu. Sogar Perem, der mich erst mit offenem Mund anstarrte wie eine Fata Morgana, rang sich ein knappes Nicken ab.
Ich suchte in der Menge nach Amad, aber ich fand ihn nicht. »Er kommt gleich zurück«, sagte Juniper. »Iss was, du verhungerte Heuschrecke. Kost und Logis hast du für euch beide dreifach verdient.« Die Fischer hatten wenig Respekt vor der einstigen Pracht des Saales. In den Marmorboden war ein Loch geschlagen worden, das Feuer glomm darin zwischen drei Marmorbrocken, die als Stütze für einen großen Topf dienten. Juniper hatte nicht gelogen. Das Möwenfleisch schmeckte wie gekochtes Leder, aber ich schlang es herunter, als wäre es ein Ghanesisches Festmahl. »Hier, das habe ich vorhin ganz vergessen.« Juniper drückte mir ein kleines Päckchen in die Hand. »Dein Hund hat es erbeutet, also gehört es dir.« Jetzt verging mir der Appetit. Es war ungegerbte, glatte Schlangenhaut, die ein glitschiges Schmatzen von sich gab, als ich sie auseinanderklappte. Darin fand ich zwei gebogene Zähne, an denen noch rosige Giftdrüsen hingen, säuberlich aus dem Vipernkopf herausgetrennt.
»Das ist doch kostbar!«
Juniper zuckte mit den Schultern. »Mach es irgendwo zu Geld und trink einen Wein auf mich.« So ekelhaft die glitschige Schlangenhaut auch war – zum zweiten Mal machte Junipers Großzügigkeit mich sprachlos.
»Nein, du hast mir heute schon etwas geschenkt, dann schenke ich dir jetzt die Beute der Grauen.«
Aber Juniper schüttelte den Kopf. »Wenn du darauf bestehst, gib mir einen Zahn, aber der andere ist für dich. Freunde teilen«, fügte sie vielsagend hinzu. Ich konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern.
Die Graue sprang auf und lief zur Tür. »Sag ich doch, nicht nur die Hunde laufen ihm nach«, raunte Juniper mir zu. Einige Frauen drehten sich zu Amad um, der eben den Raum betrat. Zeit für ein paar Antworten, Amad , dachte ich. Aber als ich ihn sah, machte mein Herz einen Satz und ich vergaß jede Frage. Offenbar war auch seine Kleidung verbrannt worden, er trug nun schwarze Hosen, die betonten, wie lang und muskulös seine Beine waren. Ein dunkelgraues Hemd mit langen Ärmeln verbarg die Kratzer an seinen Handgelenken und ließ sein seltsames Haar heller erscheinen, als es war. Und nicht nur das Haar. Er hatte sich den Schmutz vom Gesicht gewaschen. Aber im Gegensatz zu meiner Haut, die sonnengebräunt oder noch rot vom Sonnenbrand war, wirkte seine, als hätten wir niemals die Wüste in praller Sonne überquert. Zwischen den Männern stach er hervor wie ein heller Falke zwischen Krähen.
Mühelos wuchtete er einen voll bepackten Rucksack von seiner Schulter und sprach mit dem Mann, den Juniper bei unserer Ankunft als Enou angesprochen hatte. Die beiden lachten miteinander. Ich staunte nicht schlecht. Dafür, dass Enou uns gestern noch am liebsten aus der Kirche gejagt hätte, war er jetzt erstaunlich freundlich. Amad und er wirkten, als seien sie Freunde geworden, und auch die anderen Fischer schienen ihn zu mögen. Und auch ich konnte den Blick nicht von seinem Lachen wenden. So kenne ich ihn nicht , dachte ich. So …
Amad klopfte dem Hund die Seite und wandte sich mir zu. Wie immer suchte er nicht nach mir. Inmitten der Menge fand er mich mit einem einzigen Blick. Sein Lachen erstarb so abrupt, als hätte ihn jemand geohrfeigt. Die Graue stupste seine Hand, aber er stand nur da und betrachtete mich so erstaunt, als hätte er jemand anderen erwartet. Ich hob herausfordernd das Kinn und strich mir das Haar aus der Stirn. Und wen, Amad? Die hilflose Stadtprinzessin? Die gibt es nicht mehr. Aber zu meiner Überraschung lag kein Spott in seinem Blick und auch keine Abneigung. Im Gegenteil. Für einige flirrende Sekunden war etwas ganz anderes zwischen
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