Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
uns. In einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätten wir einander zugelächelt. Sein Blick war wie eine Berührung, und als er die Brauen hob und ein kurzes, anerkennendes Nicken andeutete, wurde ich tatsächlich rot. Der Augenblick verging so schnell, wie er gekommen war. Schlagartig schien Amad wieder einzufallen, wer wir waren. Seine Miene verfinsterte sich. Er hob ein paar leere Wasserschläuche auf und verließ mit schnellen Schritten den Raum, als würde er vor mir flüchten.
    Ich sprang auf.
    »Habt ihr Streit?«, fragte Juniper verdutzt.
    »Noch nicht«, murmelte ich und rannte los.
    Ich holte ihn auf dem Weg zu den Wabenkammern ein. »Warte! Du schuldest mir ein paar Erklärungen!«
    Amad fuhr herum. »Schon interessant. Kaum läufst du wieder auf Palastboden, hast du wieder den Kommandoton einer Prinzessin.«
    Im Licht einer kleinen Laterne, die den Weg beleuchtete, wirkten seine Augen noch umschatteter als sonst und seine Züge so scharf geschnitten wie bei einem Raubtier. Am meisten aber traf mich sein Blick, kalte blaue Glut.
    »Was ist los mit dir, Amad? Warum bist du so wütend auf mich?«
    »Warum? Wegen dir verlieren wir Zeit. Offenbar hast du es nicht mehr eilig, Tian zu finden. Stattdessen spazierst du in baufälligen Kammern herum und lässt dich als Wassersucherin feiern.«
    »Und wenn ich nicht gerade an einem Seil über dem Abgrund hänge, versuche ich immer noch zu begreifen, wo wir sind! Das hier darf es nicht geben. Und trotzdem ist es da.«
    »Oh, wir machen Fortschritte? Die Frau der großen Gaben beginnt tatsächlich ihren eigenen Augen zu trauen. Sag bloß, du wirst noch abergläubisch wie die Barbaren.«
    Jetzt hatte er mich so weit, dass ich ihm am liebsten die Gabel des Schlangenstocks an die Kehle gesetzt hätte. »Mach dich nicht über mich lustig! Warum wusstest du von diesem Ort?«
    »Weil es meine Aufgabe ist. Schon vergessen, wer ich bin? Der beste Sucher der Méganes. Genau dafür wurde ich dir an die Seite gestellt: Weil ich jedes Versteck kenne, jeden Fuchsbau, jede Höhle und jeden Palast, in den sich jemand verkriechen könnte. So gut getarnt er auch sein mag.«
    »Du hast heute gesagt, dass meine Wirklichkeit nicht die einzige ist. Und dafür will ich eine Erklärung.«
    Das schien ihn fast zu amüsieren. »Die Welt hat nun mal mehr Gesetze, als deine Formeln dir sagen. Kannst du durch die Ringmauern eurer Stadt sehen? Nein? Und trotzdem gibt es die Bezirke dahinter. Um dennoch durch Mauern zu sehen, braucht es eine besondere Gabe. Tja, und du hast sie nicht.«
    Es war kein gutes Gefühl, zu begreifen, dass meine Welt nicht alles war, was ich kannte. Und die Vorstellung, dass die Méganes und meine strengen Richtereltern davon wussten und vielleicht sogar die Kirche kannten, machte mich wütend und unsicher zugleich. Hatte irgendjemand mir in meinem Leben die ganze Wahrheit gesagt?
    »Gehörte die Kirche früher meiner Familie?« Habe ich deshalb das Gefühl, durch Erinnerungen zu laufen?
    »Frag doch deine Bücher!«
    »Spar dir deinen Sarkasmus!«
    »Selbst wenn ich es wüsste, deine Familiengeschichte interessiert mich nicht. Glaub mir, eine Moreno reicht mir vollkommen: du!«
    Ich war enttäuscht, zu sehr hallte der kurze Moment der Nähe noch in mir nach. Aber trotzdem ließ ich mich nicht provozieren.
    »Im Brunnenzimmer war ein Bild an der Wand«, sagte ich mit fester Stimme. »Ein Mädchen, so alt wie ich, und den Insignien meiner Familie nach zu urteilen war sie eine Moreno.«
    Er hob den Blick und sah mir direkt in die Augen. »Vielleicht war es ja dein Spiegelbild?«, sagte er leise. Ich wusste nicht, warum ich erschrak.
    »Trau ihm nicht.« Der blonde Junge war seit gestern Nacht verschwunden, aber ich wusste, genau das hätte er mir nun zugeflüstert.
    Jetzt erst bemerkte ich, dass ich die Hand in der Köchertasche vergraben hatte und die Smaragd-Iris nervös zwischen meinen Fingern rieb. »Woher weißt du, dass in dem Zimmer ein Spiegel hängt?«
    »Ich habe mit den Männern den Boden abgestützt und Wasser geholt, für die Reise morgen. Aber ein Bild habe ich nicht gesehen.«
    »Es kann nicht mein Spiegelbild gewesen sein. Es sei denn, ich hätte plötzlich blondes Haar und grüne Augen.« Ich holte die Smaragdscheibe hervor. Im Licht einer Laterne funkelte sie wie ein flacher Tropfen aus grünem Wasser.
    Ich bildete mir ein, dass ein Schatten von Schmerz über Amads Miene huschte, aber vermutlich erzeugte nur das Flackern der Flamme diesen Effekt. Im

Weitere Kostenlose Bücher