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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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dahinter ist«, wies sie mich streng zurecht. »Es sind zwei Männer, einer groß und muskulös, der andere kleiner und drahtig. Und beide so schlecht gelaunt wie Stiere, denen jemand eine glühende Nadel in den Hintern gestochen hat. Und sie versuchen die Leute um dich herum dazu zu bringen, dass sie dir Schaden zufügen. Nicht wahr?«
    Ich nickte, obwohl sie das sicher nicht sah. »Sie waren Wächter und wurden hingerichtet. Sie geben mir wohl die Schuld und bringen mich seitdem in Schwierigkeiten.«
    »Typisch«, knurrte Manoa. »Die Geister aus der Traumwelt sind schon nicht einfach zu bändigen, aber die Schatten nachtragender toter Menschen sind noch lästiger.«
    »Sind die Schatten denn keine Geister?«
    Manoa winkte ab. »Nein, wo denkst du hin! Tote sind einfach nur Tote – Echos aus dem Leben, die ein Eigenleben entwickelt haben, weil sie etwas erledigen wollen, eine Rache, eine letzte Botschaft. Danach verlöschen sie wie Rauch. Schatten eben! Die Geister hinter den blauen Grenzen sind dagegen eigene Wesen, so wie wir Menschen, die meisten sind nicht gut auf uns Menschen zu sprechen, deshalb nennen wir sie auch Dämonen. Und sie verlöschen nicht. Sie sterben.« Sie lächelte. »Zumindest sagen die Überlieferungen, dass sie sterben können.«
    »Weißt du, wie ich die Wächterschatten loswerden kann?«
    Manoa wiegte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Wenn du zwei Wölfe an dich kettest, hast du nur die Wahl, sie zu füttern oder dich auffressen zu lassen. Mit Toten spaßt man nicht. Sie als Einzige können die Weltenhaut durchdringen wie Rauch ein Tuch. Und auch deine Haut, wenn du nicht aufpasst!«
    Ich gab mir gar keine Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen. »Kannst du mir nicht helfen oder willst du es nicht?«
    Sie lachte rasselnd auf und hustete. »Du bist daran gewöhnt, dass man dir zu Hilfe kommt, wenn du es befiehlst, hm? Aber kannst du mich bezahlen? Nein, Hungermädchen, meine Dienste sind teuer, nicht einmal ein Sklavenpreis für dich würde genug bringen. Nur die Reichsten können sich meine Dienste leisten. Aber ich bin kein Geizhals, ich schenke dir zwei Dinge, die dir nützlich sein werden. Weil du mich zum Lachen gebracht und mir die Langeweile auf dieser öden Fahrt vertrieben hast.« Armreife klimperten, während sie unter ihrem grauen Gewand nach etwas suchte. Sie streckte mir eine Münze hin. »Hier, für den Zerberus des Zuges. Wenn du für die Fahrt nicht bezahlst, kommst du schneller in die Sklavenstadt, als dir lieb ist. Nur leider wirst du dir dann nicht aussuchen können, wo du arbeitest. Und einen Lohn wirst du auch nicht bekommen, Menschenhändler schreiben immer nur an – mit Peitschenkerben auf deinem Rücken.« Ich zögerte, aber dann überwand ich meinen Stolz und nahm die Münze an mich. Ihr zu danken, brachte ich allerdings nicht fertig.
    »Wo hast du das gelernt?«, wollte ich wissen. »Dieses Sehen, meine ich.«
    Die Frage schien sie zu amüsieren. Die Augen klappten auf, Silber starrte ohne ein Zwinkern. »Wo hast du atmen gelernt?«, gab sie zurück. »Ich bin eine Sehendevon Geburt an – in der alten Sprache der Geister nannte man meine Familie ›Hautwanderer‹. Aber damit sind nicht Menschenhäute gemeint, wie du dir denken kannst. Naja, auch diese Kunst beherrschten manche Menschen, aber das waren andere als wir. Man behauptet, vor Urzeiten konnten meine Vorfahren die Seelenhäute der Welt sogar durchschreiten. Aber das ist nur ein Märchen. Nein, wir sind gekettet an diesen Teil unserer Welt, die alles verliert: jede Schönheit, jeden Wert und Glanz.«
    Ich blickte auf die Gleise, die hinter Manoa wie ein endloses Band dahinratterten, sah das Juwelengrün der Pflanzen und die Berge, schlafende Riesen mit faltiger blasser Haut. Einer von ihnen trug eine rot glühende Krone: die Sonne, die im Osten aufging, ein warmes Strahlen, das mich bis ins Zwerchfell durchrieselte. »Wie kommst du darauf?«, fragte ich. »Die Welt ist schön!«
    Manoa seufzte. »Wirklich? Nun, ich sehe etwas anderes. Jahr um Jahr wird sie fadenscheiniger, sie blutet aus. Und ebenso die Städte, die einst prächtig waren und heute nur noch riesige Sklavenmärkte sind. Nichts Neues entsteht, es wird nur das Alte wiederholt und ausgeschlachtet. Und die Menschen sind wie Sterne, die schon vor langer Zeit verglüht sind.«
    Ich wollte aufbegehren und Manoa von der Pracht und Perfektion Ghans erzählen. Und von Menschen, die strahlten und mit ihren Gaben Wunder schufen. Aber sie würde

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