Der dunkle Punkt
aufbehielt und Bertha neugierig anglotzte. Dann bemerkte er mich und riß entgeistert die Augen auf.
Störenfried Nummer eins sah Bertha an und sagte liebenswürdig: »Ich muß Sie wegen dieses Überfalls vielmals um Verzeihung bitten, meine Gnädigste. Mein Gefährte und ich ziehen in einer für mich äußerst wichtigen Angelegenheit Erkundigungen ein, und wir glauben, daß Sie uns dabei helfen können.«
»Der Meinung bin ich nicht«, erwiderte Bertha kurz.
Der Sprecher trug einen maßgearbeiteten Anzug, der ihn mindestens hundertfünfzig Dollar gekostet hatte, und sein perlgrauer Homburg war schätzungsweise zwanzig Dollar wert. Er wirkte geschniegelt und gebügelt und gepflegt bis in die Fingerspitzen und war schlank, geschmeidig und verbindlich. Störenfried Nummer zwei hingegen hatte einen zerknitterten Rock und eine ausgebeulte Hose an, beides von der Stange und um ein paar Nummern zu groß. Er war Mitte Fünfzig, dickbäuchig, ungeschliffen und äußerst wachsam.
»Es wäre sehr freundlich, wenn wir für einen Augenblick eintreten dürften«, sagte der Mann mit der samtigen Stimme zu Bertha. »Die anderen Mieter brauchen unser Gespräch ja nicht unbedingt zu hören.«
Bertha blockierte die Tür. »Wenn hier einer redet, dann sind Sie’s. Deshalb kann mir’s schnuppe sein, ob jemand zuhört oder nicht.«
Der Mann lachte. Es war ein kultiviertes Lachen, das aufrichtige Belustigung verriet. Er betrachtete Berthas grauhaarige, kriegerische Erscheinung mit wachsendem Interesse.
»Na, was ist?« fragte Bertha gereizt. »Schießen Sie los, oder lassen Sie’s bleiben, aber entschließen Sie sich endlich!«
Er zog mit schwungvoller Gebärde eine Brieftasche hervor, nahm eine Visitenkarte heraus, schickte sich an, sie Bertha zu überreichen, überlegte es sich anders und sagte statt dessen: »Ich komme aus Los Angeles. Mein Name ist Cutler, Marco Cutler.«
Ich sah Bertha an, um festzustellen, ob ihr der Zusammenhang aufgegangen war. Anscheinend nicht.
Cutler fuhr fort: »Ich ziehe Erkundigungen über meine Frau ein.«
»So? Und was geht mich das an?«
»Sie hat hier gewohnt.«
»Wann?«
»Wenn meine Informationen stimmen, vor ungefähr drei Jahren.«
Bertha stotterte überrascht: »Oh, Sie meinen, Ihre Frau — das heißt...«
Ich trat schnell näher. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen, Mr. Cutler. Ich bin der eigentliche Mieter dieser Wohnung und habe sie an diese Dame hier weitervermietet. Sie ist eben erst eingezogen. Wenn Sie sagen, Ihre Frau hätte das Apartment vor etwa drei Jahren bewohnt, dann darf ich wohl annehmen, daß auch Sie hier gewohnt haben.«
»Nein. Ich befand mich damals in Los Angeles. Ich konnte meine Arbeit nicht im Stich lassen. Meine Frau reiste allein nach New Orleans und gab mir diese Adresse an.« Er zog mehrere Bogen Papier aus seiner Brusttasche, faltete sie auseinander, warf einen Blick darauf und nickte. »Ich habe mich nicht getäuscht. Es war dieses Apartment.«
Sein Begleiter fühlte sich zum erstenmal veranlaßt, auch etwas zur Unterhaltung beizutragen. »Stimmt genau«, pflichtete er mit rauher Stimme bei.
Cutler wandte sich hastig zu ihm um. »Ist das die Wohnung, Goldring?«
»Ja. Ich stand genau hier, als sie die Tür aufmachte und...«
Cutler unterbrach ihn hastig. »Die Chancen, etwas über ihren hiesigen Aufenthalt zu erfahren, sind natürlich gering, darüber bin ich mir klar. Leider traf ich die Hauseigentümerin nicht an. Deshalb komme ich zu Ihnen. Es wäre ja immerhin möglich, daß Sie etwas gehört haben, was mir von Nutzen sein könnte.«
»Leider bin ich erst seit fünf Stunden hier«, erklärte Bertha.
Ich lachte. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Aber wollen Sie nicht hereinkommen und für einen Moment Platz nehmen?«
»Danke, ja«, erwiderte Cutler. »Das wäre mir allerdings sehr lieb.«
Bertha trat zögernd beiseite. Die beiden Männer warfen im Vorbeigehen einen schnellen Blick ins Schlafzimmer und begaben sich in den Wohnraum, der nach der Straße zu lag. »Da drüben ist Jade O’Learys Bar«, sagte Goldring.
Cutler nickte. »Richtig. Mir ist völlig unklar, wie wir hierhergekommen sind. Anscheinend beschreibt die Straße einen Bogen von mindestens neunzig Grad.«
»Stimmt, aber daran gewöhnt man sich«, antwortete Goldring, annektierte Berthas Schlummersessel, deponierte seine Füße auf der Couch und fragte: »Haben Sie was dagegen, wenn wir rauchen, Lady?« Er strich ein Streichholz an seiner Schuhsohle an, ohne Berthas
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