Der dunkle Punkt
bezahlt.«
»Welchen Namen führten Sie währenddessen?«
»Robertas.«
»Wie lange?«
»Nur zwei bis drei Tage.«
»Und danach?«
»Meinen eigenen. Mir war klargeworden, daß ich mich verdächtig machte, wenn ich unter falschem Namen lebte. Mein Mann konnte es als Schuldbekenntnis auslegen und behaupten, ich hätte ihn verlassen und mich vor ihm versteckt. So gab es eben einfach zwei Frauen namens Edna Cutler. Die eine wohnte in New Orleans und hieß in Wirklichkeit Roberta Fenn, und die andere war die richtige Edna Cutler.«
»Eine ergreifende kleine Geschichte. Selbst der hartgesottenste Richter wäre von ihr zu Tränen gerührt.«
»Mitleid will ich nicht. Ich verlange nur Gerechtigkeit.«
»Das haben Sie wunderschön gesagt. Bei mir können Sie sich diesen Schmus sparen. Ich bin über Sie besser informiert, weiß mehr, als Ihnen erwünscht sein könnte. Sie sind sicher ganz gerieben, aber auf diesen Dreh sind Sie nicht von selbst gekommen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine damit, daß das raffinierte Täuschungsmanöver, mit dem Sie Ihren Mann ‘reingelegt haben, nicht auf Ihrem eigenen Mist gewachsen ist. Nur ein Anwalt konnte auf so einen geschickten Schachzug verfallen, und ich kenne mich in dieser Branche aus. Es gibt nicht viele Juristen, die für so was genug Grütze im Kopf haben.«
»Aber glauben Sie mir doch, von einem Plan kann dabei überhaupt nicht die Rede sein. Es ergab sich einfach so.«
»Erzählen Sie mir keine Märchen. Somit wären wir wieder bei unserem Freund Paul Nostrander angelangt. Sie kannten ihn, wie?«
Sie zögerte und dachte angestrengt nach. Ich grinste. »Sie haben wohl nicht erwartet, daß ich die Frage so formulieren würde, was? Lassen Sie sich bei der Antwort ruhig Zeit.«
»Nein, ich kannte ihn nicht«, erwiderte sie trotzig.
Roberta machte ein verblüfftes Gesicht.
»Schade. Jetzt ist Ihnen ein verhängnisvoller Fehler unterlaufen.«
»Wieso?«
»Erstens wird sich Nostranders Sekretärin wahrscheinlich an Sie erinnern, falls Sie ihn jemals im Büro aufgesucht haben. Zweitens dürfte aus seinen Geschäftsbüchern hervorgehen, daß Sie ihm, wenigstens zu Beginn Ihrer Bekanntschaft, ein Honorar gezahlt haben. Drittens wurden Sie bestimmt von allen möglichen Leuten mit ihm zusammen in Jack O’Learys Bar beobachtet. Ihr Mann würde es sich ein Vermögen kosten lassen, wenn er Sie damit ein für allemal abservieren könnte. Eine einzige unvorsichtige Lüge kann Sie Kopf und Kragen... «
Sie unterbrach mich. »Also schön. Ich kannte ihn.«
»Gut?«
»Ich - ich konsultierte ihn.«
»Was riet er Ihnen?«
»Er sagte, ich sollte aufhören, mir Sorgen zu machen und - und« — fuhr sie triumphierend fort — »die Übergabe der Scheidungspapiere abwarten. Sobald das geschehen sei, sollte ich mich erneut an ihn wenden.« An-, scheinend war sie selbst ganz erstaunt über die Durchschlagskraft ihrer Ausrede.
Ich nickte. »Das klingt schon besser. Vor allem läßt es sich nicht widerlegen. Nostrander ist tot. Er kann Sie also nicht mehr Lügen strafen.«
Sie starrte mich wütend an, hielt jedoch wohlweislich den Mund.
Jetzt wandte ich mich an Roberta. »Sie kannten ihn auch?«
»Ja.«
»Woher?«
Edna warf hastig ein: »Das ist eine Falle, Rob. Er möchte von dir hören, daß ich dir Nostrander vorgestellt habe. Du hast ihn in einer Bar kennengelernt, du weißt doch?«
Roberta sagte gar nichts.
»Das ist der zweite schwache Punkt in Ihrer Geschichte, Mrs. Cutler«, erklärte ich grinsend. »Ich fürchte, Sie haben Roberta bereits zuviel erzählt.«
»Unsinn. Ich hab’ ihr ja gar nichts zu erzählen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Na gut, sprechen wir von was anderem. Wenn Sie nicht lügen wollen und Angst haben, Edna mit Ihren Aussagen zu schaden, dann halten Sie am besten die Klappe. Warum sind Sie Nostrander aus dem Wege gegangen?«
»Was meinen Sie damit?« fragte Roberta.
»Na, Sie wohnten fast ein Jahr lang im französischen Viertel. Sie aßen regelmäßig im >Haus Bourbon< und wurden häufig in Jack O’Learys Bar gesehen. Ursprünglich sollten Sie so lange in dem Apartment bleiben, bis Edna nach New Orleans zurückkehrte. Stattdessen zogen Sie von einem Tag auf den anderen aus, nahmen Ihren eigenen Namen wieder an, belegten einen Kursus für Buchhaltung und setzten keinen Fuß mehr ins französische Viertel. Erst vor ein paar Wochen wagten Sie sich in Begleitung von Archibald Smith wieder in das eine oder andere Lokal, weil Sie
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