Der dunkle Punkt
übrigen wäre die Scheidung sowieso nicht rechtskräftig, da Sie weder die Vorladung noch die Abschrift der Klage termingerecht bekommen hätten. Mit anderen Worten, Sie hatten ihn da, wo Sie ihn haben wollten, und konnten ihn nun zwingen, tüchtig Geld auszuspucken. Seine zweite Ehe war praktisch ungültig, er hatte sich, wenn auch unwissentlich, der Bigamie schuldig gemacht, und er traute sich nicht, seiner jetzigen Frau reinen Wein einzuschenken. Kurz, er war Ihnen restlos ausgeliefert.«
Ich hielt inne und sah sie abwartend an.
Sie wich meinem Blick aus. »Sie tun so, als wäre das alles ein abgekartetes Spiel von mir gewesen, als hätte ich Marco ‘reingelegt, um ihn nach Herzenslust rupfen zu können. Aber Sie irren sich. Ich wollte nur in Frieden gelassen werden, sonst gar nichts. Unsere Ehe war ganz in Ordnung, und dann begann mein Mann plötzlich, mich zu verleumden. Ich hab’ keine Ahnung, ob er mich vor meinen Freunden unmöglich machen wollte oder ob er wirklich eifersüchtig war oder ob er vielleicht selbst von jemand anders dazu gezwungen wurde. Ich weiß nur, daß alle seine Bezichtigungen völlig aus der Luft gegriffen waren. Ich will mich bestimmt nicht besser machen, als ich bin. Gut, ich hab’ mich amüsiert und auch mal geflirtet, aber das ist schließlich kein Verbrechen. Marco hatte auch nie was dagegen, und plötzlich hetzte er ohne jeden Grund Privatdetektive hinter mir her. Er gab Unsummen dafür aus, und weil sie ihm für sein Geld auch einen Gegenwert liefern mußten, schickten sie ihm einen Haufen zusammengelogener Berichte. Daraufhin bildete sich Marco natürlich ein, er hätte mich in der Tasche und könnte mich sang- und klanglos abschieben.« Sie hielt inne und biß sich auf die Lippen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Und dann?« fragte ich.
»Na, eines Tages ließ er dann die Bombe platzen. Er hielt mir das Zeug unter die Nase und machte mir einen Mordskrach. Als ich diesen Packen unverschämter Lügen gelesen hatte, verlor ich beinahe den Verstand.«
»Sie protestierten gegen diese Beschuldigungen, wie?«
»Natürlich! Ich sagte ihm, sie wären samt und sonders erlogen und die größte Gemeinheit, die ich jemals erlebt hätte. Ich hatte einen richtigen Nervenzusammenbruch und war zwei Wochen lang in ärztlicher Behandlung. Mein Arzt gab mir dann auch den Rat, für eine Weile zu verreisen und mich an einen Ort zurückzuziehen, wo mich nichts an die letzten abscheulichen Ereignisse erinnerte.«
»Er war wohl eine mitfühlende Seele, wie?« fragte ich lächelnd.
»Jedenfalls hatte er viel Verständnis«, erwiderte sie steif.
»Natürlich erteilte er Ihnen diesen Rat schriftlich?«
»Woher wußten Sie das?«
»Reine Vermutung.«
»Na, Tatsache ist, daß ich nach San Franzisko fuhr und ihm von dort aus einen Brief schrieb. Ich schilderte ihm meine Gemütsverfassung und fragte ihn um Rat. Er schrieb zurück, ein Ortswechsel wäre genau das richtige Heilmittel für mich. In einer anderen Umgebung würde ich mich von meinem Schock am besten erholen.«
»Diesen Brief haben Sie natürlich aufgehoben. Bitte weiter.«
»Ich fuhr nach New Orleans, und drei Wochen lang ging alles ganz gut. Ich hatte mich vorübergehend in einem Hotel eingemietet und suchte eine Wohnung. Aber dann kam plötzlich etwas dazwischen.«
»Würden Sie sich bitte deutlicher ausdrücken.«
»Ich traf jemanden auf der Straße.«
»Bekannte aus Los Angeles?«
»Ja. Deshalb beschloß ich für eine Weile unterzutauchen.«
»Das zieht nicht, meine Beste. Dasselbe hätte Ihnen in Little Rock, Shreveport oder meinetwegen auch in Timbuktu passieren können.«
»Nein, Sie mißverstehen mich. Die Bekannte wollte wissen, wo ich wohnte, und ich mußte es ihr sagen. Es war klar, daß sie es brühwarm weitererzählen würde und daß alle meine Freunde demnächst in New Orleans aufkreuzen und mir auf die Bude rücken würden. Sie können sich denken, daß ich, nach allem, was geschehen war, keine Lust hatte, alte Bekannte zu sehen. Andererseits wollte ich eine feste Bleibe haben, in der ich jederzeit unterschlüpfen konnte. Dann traf ich Roberta und freundete mich mit ihr an. Sie war auch in der Klemme, und als ich sie fragte, ob es ihr recht wäre, wenn wir für eine Weile die Namen tauschten, hatte sie nichts dagegen einzuwenden. Ich bat sie, eine nette Wohnung zu mieten und für mich bereitzuhalten, bis ich zurückkäme. Natürlich habe ich ihr für diesen Freundschaftschenst etwas
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