Der dunkle Ritter (German Edition)
genau das, was ich auch gern wissen möchte«, entgegnete er. »Was geht hier eigentlich vor?« Er zeigte auf jemanden in der Menge. Ein zerlumpter grinsender Vagabund trat vor, der Emmalyn seltsam bekannt vorkam. »Stellt Euch meine Überraschung vor, als dieser Mann dort zu mir nach Wardeaux kam und mir verkündete, dass ihm soeben der Mörder meines Bruders über den Weg gelaufen sei.«
»Mörder?«, stieß Emmalyn aus. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Das habe ich anfangs auch nicht. Mein Bruder wurde auf dem Kreuzzug getötet, soweit ich das wusste. Das war die Geschichte, die man uns erzählt hat, nicht wahr?«
»Ja. Garrett wurde am letzten Tag der Kämpfe in Palästina getötet. So stand es im Brief des Königs.« Emmalyn schaute Cabal an und fühlte ein Zittern der Furcht, als er ihren Blick nicht erwiderte. »Er starb im Kampf mit einem Sarazenen-Gefangenen … «
»So hat man es Euch berichtet, Emmalyn. Jedoch, Mylady, dieser Mann dort war auch in Palästina. Rannulf ist gut bekannt mit diesem Mann, Cabal – diesem Blackheart. Rannulf war dort, Emmalyn, in dem Zelt, in dem er diesen Mann über die Leiche meines Bruders gebeugt stehen sah, ein blutiges Messer in seiner Hand.«
Obwohl dieses Bild sie schockierte, verdrängte Emmalyn es. »Selbst wenn es wahr ist, beweist es wohl kaum Cabals Schuld. Genau genommen beweist es gar nichts.«
»Die Tatsache allein an sich vielleicht nicht«, räumte Hugh ein. »Aber da gibt es noch mehr an der Geschichte, nicht wahr, Blackheart?« Als Cabal nicht reagierte, runzelte Hugh die Stirn und nickte Rannulf zu. »Erzähl ihr, was du mir erzählt hast.«
»Ich war dort«, bestätigte der Mann namens Rannulf, während sich sein Auge wachsam auf Cabal richtete. »Es war nach der Schlacht vor Arsouf. Wir saßen zum Essen ums Feuer, als Lord Garrett fortging, um eine der Gefangenen zu holen. Den ganzen Weg bis zu seinem Zelt hat sie geschrien –«
»Sie schrie?«, fragte Emmalyn und Übelkeit zog ihr den Magen zusammen.
Hugh zuckte gleichmütig mit den Achseln und machte Rannulf ein Zeichen fortzufahren. »Nicht lange nachdem Lord Garrett die Kleine mitgenommen hatte, ist Blackheart aufgestanden und fortgegangen. Er war vielleicht eine Viertelstunde weg, als mir auffiel, dass das Schreien des Mädchens nicht mehr zu hören war. Ich dachte, vielleicht könnte ich auch ein bisschen was von ihr haben, nachdem Lord Garrett anscheinend mit ihr fertig war, also ging ich zu seinem Zelt. Als ich hinkam, war kein Mädchen zu sehen, aber Blackheart stand da. Er beugte sich über Lord Garretts blutenden Körper und sah ganz ruhig aus.«
»Ich sehe nicht ein, dass das ein Beweis für Cabals Schuld ist«, warf Emmalyn ein, als Cabal nichts zu seiner Verteidigung hervorbrachte. »Vielleicht hat das Mädchen Garrett getötet, als es versucht hat, sich zu schützen. Ich würde sie für ihr Handeln ganz bestimmt nicht anklagen.«
Rannulf kicherte. »Zuerst dachte ich auch, dass das Mädchen Lord Garrett getötet hat. Aber dann habe ich nachgedacht. An dem Seil, mit dem sie im Zelt gefesselt war, war kein Blut. Es war sauber durchgeschnitten. Und der Dolch, mit dem Lord Garrett getötet wurde – der Dolch, den Blackheart so sorgfältig abgewischt hat, als ich ins Zelt kam – , hatte von Blut getropft. Es kam mir irgendwie seltsam vor, dass dieses Mädchen sich selbst befreit haben sollte, dann noch blieb, um Lord Garrett zu töten, und erst dann geflohen ist.«
»Genau, Blackheart. Warum sollte sie das tun?«, wandte sich Hugh an Cabal. Seine Augen waren hart und zu Schlitzen verengt.
»Nun, ich habe über dieses Rätsel nachgedacht, seit dem Tag, an dem ich Palästina verlassen habe«, sagte Rannulf. »Es ergab überhaupt keinen Sinn, bis ich Blackheart wiedersah, wie er einen Beutel voll Geld schwenkte und so fein gekleidet daherkam, dass ich ihn auf den ersten Blick gar nicht wiedererkannt habe. Er hat so getan, als wisse er nicht, wer ich bin – auch dann noch, als ich mir schon ganz sicher war. Ich hab immer gewusst, dass er insgeheim nach dem gierte, was Lord Garrett hatte.«
»Offensichtlich so sehr, dass er ihn dafür getötet hat«, fügte Hugh hinzu.
Trotz der seltsamen Schwere, die sich von innen in ihr auszubreiten begann, schüttelte Emmalyn den Kopf. »Ich glaube die Geschichte keinen Moment lang. Cabal ist auf Befehl des Königs hier. Er wollte nicht herkommen.«
»Er mag vom König gegen seinen Willen hergeschickt worden sein, aber ganz sicher hat er es
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