Der dunkle Ritter (German Edition)
bald auch über ihre Zukunft legen würde. Emmalyn schluckte ihre Angst hinunter, straffte die Schultern und ging Hughs Wache voran. Mit hoch erhobenem Kopf betrat sie den Turm.
Im Turm hallte es vom geräuschvollen Lärmen von Hughs Armee wider, von der der Großteil, wie es aussah, sich wie ein Schwarm Heuschrecken in der Halle niedergelassen hatte. Als Emmalyn und ihre Eskorte sich auf dem Weg zur Treppe dem großen Bankettsaal näherten, zählte sie mehr als zwei Dutzend Männer, die sich an den Tischen breitgemacht hatten, große Mengen Essen verschlangen und sich am Wein gütlich taten, während die Küchenmägde in Panik hin und her liefen, die Männer bedienten und versuchten, ihren zupackenden Händen und groben Anzüglichkeiten zu entgehen.
So, wie sich Hughs Ritter der Rüpelhaftigkeit und Völlerei hingaben, so schienen sie auch völlig freie Hand bei dem Umgang mit Emmalyns Eigentum gehabt zu haben. Sie hatten die meisten der Wandteppiche heruntergerissen, die Emmalyn aus dem Haus ihrer Eltern mitgebracht hatte, um die Halle zu schmücken. Ihr weißes Tafelleinen war zerrissen oder beschmutzt von verschüttetem Wein, und die Binsen, die den Boden bedeckten, waren durchsetzt von Essensresten, abgenagten Knochen und zerbrochenem Geschirr.
Und inmitten all dieser mutwilligen Zerstörung saß Arlo. Garretts Seneschall saß zurückgelehnt auf einem Stuhl auf der Estrade, die Füße in den hohen Stiefeln hatte er auf den Herrentisch gelegt, und hielt dabei eine halb aufgegessene Hammelkeule in der Hand. Nell, eine der jungen Mägde der Burg, hatte ihm eben einen Krug Wein eingeschenkt und wollte die Estrade verlassen, als Arlo plötzlich einen Fuß vom Tisch herunternahm und die Hand ausstreckte, um das Mädchen an dessen langem blondem Haar zu packen. Die Kleine schrie auf und wehrte sich, als Arlo sie lachend zu sich hinzog.
Er musste Emmalyns Zorn den ganzen Weg vom Korridor bis zur Estrade gespürt haben, denn plötzlich hielt er inne und sah zu ihr hin. »Ah, Lady Emmalyn«, begrüßte er sie aufgeräumt. »Willkommen zu Hause.«
Der Wächter, der hinter Emmalyn stand, versetzte ihr einen leichten Stoß. Sie war von Zorn und Verachtung bis in die Fingerspitzen erfüllt, als sie in ihr Zimmer hinaufgeführt und eingesperrt wurde. Bertie und die anderen Mädchen, die dort versammelt waren, bestürmten Emmalyn in dem Moment, in dem die Tür geschlossen wurde.
»Oh Mylady!«, weinte Bertie und nahm sie ungestüm in die Arme. »Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Als Hugh heute mit seinen Soldaten herkam, wussten wir überhaupt nicht, was wir davon halten sollten!«
Und eines der Mädchen fügte hinzu: »Sie haben die Männer in die Rüstkammer gesperrt und uns seitdem wie Vieh herumgescheucht!«
»Und warum hätten sie das auch nicht tun sollen!«, sagte ein anderes. »Fünfzig bis an die Zähne bewaffnete Männer haben uns keine andere Wahl gelassen, als ihre Befehle zu befolgen.«
»Aye, das ist genau Wardeaux’ Art«, sagte Bertie. »Er und seine Männer haben immer viel Spaß daran gehabt, die zu drangsalieren, die wehrlos sind.«
»Vielleicht nicht so wehrlos, wie er gern glauben möchte«, sagte Jane mit einem listigen Lächeln. Als die Frauen sie erwartungsvoll ansahen, erklärte sie es ihnen: »Ich habe gesehen, dass die Küchenmägde genug Lorbeer in das Essen der Wachen gemischt haben, um einem Pferd den Magen umzudrehen. Ich wette, in ein paar Stunden werden sie alle zu krank sein, um noch aufstehen zu können.«
Nicht einmal Emmalyn konnte einen Ausruf der Überraschung unterdrücken. Sich vorzustellen, dass Hughs brutale Heerschar auf ebenbürtige Gegner in Gestalt einfacher Küchenmägde gestoßen war, die sich vorgenommen hatten, die Mägen der Männer gegen diese einzusetzen! Sie hoffte nur, dass Arlos Appetit sich als ebenso groß erweisen würde wie der der anderen Gierschlunde in der Halle. Es bereitete ihr eine beachtliche – wenn nicht gar boshafte – Genugtuung, ihn sich vorzustellen, wie er mit Magenkrämpfen eine ganze Nacht durchlitt.
»Die erfolgreiche Rache an Hughs Soldaten könnte sie davon abhalten, uns heute Abend weiter zu drangsalieren«, wandte Bertie leise ein, »aber was ist mit Lady Emmalyn? Nichts von allem ändert etwas an der Tatsache, dass sie morgen früh fortgeschickt wird. Wir müssen einen Weg finden zu verhindern, dass Hugh damit durchkommt.«
»Wenn ich doch nur besser aufgepasst und er das königliche Dekret nicht in die Hände bekommen
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