Der dunkle Ritter (German Edition)
Becher. Sein freudloses Lachen sandte Emmalyn einen seltsamen Schauder von Furcht den Rücken hinunter. »Ich kann darüber nichts sagen«, entgegnete er. »Warum auch? Was sagen denn die Leute, zu welchen schlechten Taten dieser Blackheart fähig ist?«
Als die Amme begann, eine der vielen kursierenden Geschichten zu erzählen, schob Emmalyn ihren Stuhl zurück. »Wenn ihr mich bitte entschuldigt, ich glaube, ich werde mich heute Abend früh zurückziehen.« Sie stand auf, um die Estrade zu verlassen, und bedauerte, dass sie die Tür für ein so unerfreuliches Thema wie den dämonischen Ritter von Palästina geöffnet hatte. Es lag ihr fern, Blackhearts Ruf oder seinen Untaten Raum zu geben, indem sie weiteren Diskussionen über ihn zuhörte.
»Ist alles in Ordnung, meine Liebe?«, fragte der Kaplan, als sie den Tisch verließ.
Emmalyn nickte, wobei sie es bewusst vermied, dem immer noch auf ihr ruhenden Blick von Sir Cabal zu begegnen. »Ich scheine ein wenig Kopfschmerzen zu bekommen, das ist alles.«
Die Amme streckte die Hand nach Emmalyn aus. »Soll ich Euch zu Eurem Zimmer begleiten, Mylady?«
»Nein, bleib nur, wenn du möchtest, Bertie. Es geht mir gut.«
Sie wünschte allen eine gute Nacht und verließ die Halle. Sie war dankbar, Sir Cabals bedrängender Nähe und der machtvollen Eindringlichkeit seiner Blicke entflohen zu sein.
Nachdem sie ihre Zimmertür verriegelt und zu Bett gegangen war, stellte Emmalyn fest, dass der Schlaf nicht kommen wollte. Sie war unruhig und verwirrt und brauchte etwas, um ihre Gedanken zu beschäftigen. Nach einigen Minuten, in denen sie erfolglos versucht hatte, sich zu entspannen, gab sie den Gedanken an etwas Ruhe auf.
Sie setzte sich auf, steckte die Füße in ihre wärmenden leichten Schuhe aus gefilzter Wolle und zog sich ein Gewand aus weichem weißem Leinenstoff über. Leise verließ sie ihr Zimmer, schlich den Gang entlang und die Wendeltreppe hinunter. Kurz vor dem Ende der Treppe sah sie eines der Mädchen, das vom Aborterker zurückkam und auf die Große Halle zueilte. Das Mädchen blieb stehen, als es Emmalyn auf der Treppe sah.
»Mylady, geht es Euch nicht gut?«
»Doch, Bea, es geht mir gut. Eigentlich war ich auf dem Weg zum Arbeitsraum. Unsere Wolle ist dieses Jahr wieder von guter Qualität – sie ist weiß und dick wie Schlagrahm. Ich dachte, ich könnte ein wenig davon verspinnen.«
Emmalyn hoffte eigentlich, dass Bea die Idee ebenso verlockend finden würde, denn sie konnte ein wenig Gesellschaft dabei gebrauchen. Doch das Mädchen runzelte die Stirn. »Spinnen?«, fragte es zögernd. »Zu dieser Stunde, Mylady?«
Als die junge Frau sie etwas verzweifelt ansah, lenkte Emmalyn mit einem leisen Seufzen ein. »Keine Sorge, Bea, ich werde nicht auf deiner Hilfe bestehen. Aber bringst du mir einige Kerzen dorthin, damit ich ein Weilchen arbeiten kann?«
»Natürlich, Mylady«, erwiderte das Mädchen und konnte ihre Erleichterung nicht verbergen, dieser Aufgabe entkommen zu sein. Nach einem raschen Knicks lief sie davon, um der Bitte nachzukommen.
Der Arbeitsraum war ein Hort von Büchern und Stoffen und friedvoller Atmosphäre und lag im ersten Stockwerk des Wohnturms. Als Emmalyn die Tür aus dickem Eichenholz hinter sich schloss, sperrte sie damit auch das leise Stimmengewirr aus, das aus dem großen Bankettsaal bis hierher drang. Aber nachdem sie an der Fackel, die auf dem Gang brannte, ein kleines Binsenlicht entzündet hatte, ließ sie die Tür des Zimmers einen Spaltbreit offen, um auf Beas Rückkehr zu warten. In der dämmrigen, flackernden Beleuchtung des Binsenlichts machte sie sich daran, die Werkzeuge zusammenzusuchen, die sie für das Spinnen der Wolle brauchte.
Was für feine Wolle, dachte Emmalyn voller Stolz, als sie die Hand in den Korb mit dem weichen flaumigen Kammzug steckte. Sie konnte kaum erwarten zu erfahren, was die Schur dieses Jahr auf dem Markt einbringen würde. Fallonmour würde mit Vorräten gut versorgt sein und zwei Winter gut dastehen, wenn ihre Schätzungen richtig waren. Erfreut darüber, das spürbare Ergebnis ihres Traumes, Fallonmour durch vermehrte Wollproduktion zu stärken, in Händen zu halten, brannte Emmalyn darauf, ein wenig von der Wolle zu verarbeiten.
Wo blieb Bea nur mit den Kerzen? Emmalyn glaubte sich zu erinnern, dass sie einige als Vorrat in eines der Regale gelegt hatte, die an der Westseite des Zimmers standen. Sie zog eine Leiter aus einer Ecke des Raumes, stieg die Sprossen hinauf und
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