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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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mäßigen. Mit sichtlicher Anstrengung zwang sie sich wieder zur Ruhe. Von den anderen Tischen hatten schon einige Gäste, die dort ihre Hamburger und Shakes verzehrten, herübergeblickt.
    Nach einer Pause sagte Westaway: »Betrachten Sie es doch einmal unter diesem Aspekt – man kann nicht etwas… jemanden ausfragen, der keinen Verstand hat.«
    »Ich muss zurück zur Arbeit.« Donna sah auf ihre Armbanduhr. »Ich werde ihnen berichten, dass alles okay scheint, wenn man von dem ausgeht, was Sie mir erzählt haben. Ihrer Einschätzung nach.«
    »Warten Sie bis zum Winter.«
    »Winter?«
    »Ja, so lange wird es dauern. Fragen Sie nicht, warum, so ist es nun mal. Entweder wird es im Winter klappen oder es läuft überhaupt nicht. Im Winter oder nie.« Genau zur Sonnenwende, dachte er.
    »Ein angemessener Zeitpunkt. Wenn alles tot ist und unter dem Schnee begraben.«
    Er lachte. »In Kalifornien?«
    »Der Winter der Seele. Mors ontologica. Wenn der Geist tot ist.«
    »Nein, nur am Schlafen.« Westaway erhob sich. »Ich muss auch abhauen. Muss eine Ladung Gemüse abholen.«
    Donna starrte ihn mit einem Blick an, in dem zugleich Trauer, Schmerz und Bestürzung lagen.
    »Für die Küche«, sagte Westaway sanft. »Möhren und Salat. Richtiges Gemüse. Gespendet von McCoy’s, für uns Arme vom Neuen Pfad. Tut mir Leid, dass ich das gesagt habe. Es sollte kein Witz sein. Es hatte überhaupt nichts zu bedeuten.« Er tätschelte ihre in Leder gehüllte Schulter. Und als er das tat, kam ihm auf einmal der Gedanke, dass vielleicht Bob Arctor diese Jacke für sie gekauft hatte, als Geschenk, in besseren, glücklicheren Tagen.
    »Wissen Sie, wir arbeiten jetzt schon lange in dieser Angelegenheit zusammen – und ich will nicht mehr. Ich wünsche mir, dass das endlich aufhört. Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, denke ich mir: Scheiße, wir sind kälter als sie. Als der Gegner.«
    »Ich sehe nichts Kaltes, wenn ich Sie anschaue. Natürlich kenne ich Sie nicht sehr genau. Was ich aber sehe – und ich glaube nicht, dass ich mich täusche –, ist einer der warmherzigsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe.«
    »Ich bin nach außen hin warm – und die Leute können nur die Außenseite sehen. Warme Augen, ein warmes Gesicht, ein warmes, vorgetäuschtes, beschissenes Lächeln, aber innendrin bin ich die ganze Zeit über kalt und voller Lügen. Ich bin nicht das, was ich zu sein scheine, in Wahrheit bin ich schrecklich.« Ihre Stimme blieb ruhig, und während sie sprach, lächelte sie. Ihre Pupillen waren groß und sanft. »Doch dann sage ich mir, dass es nicht anders geht. Oder? Ich habe das vor langer Zeit begriffen und mich so gemacht, wie ich jetzt bin. Und eigentlich ist es gar nicht so schlecht. Auf diese Weise bekommt man alles, was man will. Ja, bis zu einem gewissen Grad ist jeder so. Nur eines an mir ist tatsächlich schlimm – ich bin ein Lügner. Ich habe meinen Freund angelogen. Ich habe Bob Arctor die ganze Zeit über belogen. Ich habe ihm sogar einmal gesagt, er soll bloß nichts von dem glauben, was ich erzähle, aber natürlich hat er gedacht, ich würde scherzen, er hat nicht auf mich gehört. Aber nachdem ich es ihm gesagt hatte, lag es doch an ihm, ob er noch auf mich hören und mir glauben wollte oder nicht. Ich habe ihn gewarnt. Doch er hat das, was ich ihm gesagt habe, sofort wieder vergessen und einfach weitergemacht. Ist einfach auf seinem Weg weitergegangen, ohne nach rechts oder links zu schauen.«
    »Sie haben getan, was Sie tun mussten. Nein, Sie haben sogar mehr getan.«
    Donna entfernte sich langsam vom Tisch. »Okay, dann gibt es also nichts, was ich berichten müsste. Außer Ihrer optimistischen Einschätzung. Einfach nur, dass er eingeschleust wurde und sie den Köder geschluckt haben. Sie haben nichts aus ihm herausgekriegt bei diesen…« Sie schauderte. »… diesen furchtbaren Spielen.«
    »Nein, nichts.«
    »Dann bis später.« Sie hielt inne. »Die Regierungsleute werden nicht bis zum Winter warten wollen.«
    »Im Winter oder nie. Zur Wintersonnenwende.«
    »Zur was?«
    »Warten Sie einfach ab. Und beten Sie.«
    »Das ist Quatsch. Beten, meine ich. Ich habe früher mal gebetet, sehr oft sogar, aber jetzt nicht mehr. Wir würden das, was wir tun, nicht tun müssen, wenn Gebete funktionieren würden. Das ist nur wieder so ein Selbstbetrug.«
    »Das sind die meisten Sachen.« Mit langsamen Schritten ging er ihr nach – weil er sich zu ihr hingezogen fühlte, Zuneigung für sie

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