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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Mengen, um die es dann ging, näherten sich dem Einkaufsvolumen der richtig großen Dealer. Donna würde vermuten, dass Arctor den Stoff, den er von ihr bezog, mit Gewinn weiterverkaufte, da er nun immer mindestens tausend auf einmal haben wollte. Auf diese Weise konnte Arctor die nächste Sprosse der Leiter erklimmen, zum nächsten Hintermann vorstoßen. Und war er erst einmal selbst ein Dealer wie dieser, konnte er später vielleicht noch eine Stufe höher kommen und dann noch eine, je nachdem, wie die Mengen, die er kaufte, anwuchsen.
    Und schließlich – und darauf lief die ganze Aktion am Ende hinaus – würde Arctor jemanden treffen, der eine so große Nummer war, dass es sich wirklich lohnte, ihn auffliegen zu lassen. Jemanden, der so dick drin war, dass er entweder selbst Kontakt zu den Herstellern hatte oder zumindest Leute kannte, die den Stoff direkt vom Hersteller bezogen – Leute also, die die Quelle kannten.
    Im Gegensatz zu anderen Drogen stammte Substanz T offensichtlich nur aus einer einzigen Quelle. Substanz T war nämlich kein organisches Rauschgift, sondern wurde synthetisch hergestellt, es musste also aus einem Labor stammen. Die Substanz-T-Synthese war in zahlreichen Experimenten unter strenger behördlicher Kontrolle nachvollzogen worden und dabei hatte man herausgefunden, dass die Bestandteile selbst Derivate komplexer Substanzen waren – und diese wiederum waren beinahe ebenso schwer zu synthetisieren. Theoretisch konnte sie zwar jeder herstellen, der die Formel kannte und über hinreichende finanzielle und technische Mittel verfügte, um eine geeignete Fabrik einzurichten; tatsächlich jedoch waren die Kosten dafür astronomisch. Auch jene, die Substanz T entwickelt hatten und sie herstellten, verkauften die Droge eigentlich viel zu billig, als dass es sich für sie lohnen würde. Und die Verbreitung deutete darauf hin, dass es, selbst wenn nur eine Quelle existierte, ein weitverzweigtes Netz von Fabrikationsstätten und Auslieferungen geben musste. Vielleicht befanden sich eine Reihe von Laboratorien in mehreren Schlüsselgebieten, etwa in der Nähe eines jeden größeren städtischen Drogenzentrums in den USA und Europa. Warum man allerdings bisher keines dieser Laboratorien hatte entdecken können, blieb ein Rätsel. Die Vermutung lag nahe, dass die ST-Agentur – wie die Behörden die Organisation nannten, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Substanz T beschäftigte – sowohl auf örtlicher als auch auf nationaler Ebene über vorzügliche Verbindungen zu den Spitzen im Polizeiapparat verfügte, eine Tatsache, über die die Öffentlichkeit lautstark und die offiziellen Stellen etwas verklausulierter lamentierten. Zudem munkelte man, dass allzu neugierige Schnüffler, die brauchbare Fakten über die Operationen der ST-Agentur in Erfahrung brachten, entweder schnell die Finger von diesem heißen Eisen ließen oder aber sang- und klanglos von der Bildfläche verschwanden und nie wieder auftauchten.
    Arctor hatte natürlich neben Donna noch weitere Eisen im Feuer, er drängte auch andere Dealer dauernd dazu, ihm immer größere Mengen Stoff zu besorgen. Aber weil Donna sein Mädchen war – er machte sich jedenfalls Hoffnungen in dieser Richtung –, war sie für ihn am wichtigsten. Donna zu besuchen, mit ihr zu telefonieren, sie auszuführen oder sie flachzulegen – das war gleichzeitig auch ein persönliches Vergnügen. Indem er sich auf sie konzentrierte, wählte er in gewisser Weise den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn man schon jemanden bespitzeln und über ihn berichten musste, dann am besten jemand, mit dem man ohnehin öfters zusammen war; das war weniger verdächtig und außerdem auch weniger umständlich.
    Er betrat eine Telefonzelle und machte das Telefon-Ding.
    Ring. Ring. Ring.
    »Hallo«, meldete sich Donna.
    Alle Münzfernsprecher in der ganzen Welt waren angezapft. Und wenn irgendeiner mal nicht angezapft war, waren die Monteure bloß noch nicht bis dorthin vorgestoßen. Die abgehörten Gespräche wurden an einem zentralen Ort elektronisch gespeichert und ungefähr jeden zweiten Tag erhielt ein Polizeibeamter einen Ausdruck und konnte sich einen Überblick über alle abgehörten Telefongespräche verschaffen, ohne sein Büro verlassen zu müssen. Die meisten Anrufe waren harmlos. Der Polizeibeamte konnte allerdings die, die nicht so harmlos waren, ziemlich schnell identifizieren. Das war seine besondere Fähigkeit. Dafür wurde er bezahlt. Und einige

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