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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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gar kein Schaf, nicht wahr? Aber war ich wenigstens nahe dran?«
    »Das hier ist kein Rorschach-Test«, sagte der sitzende Beamte, »bei dem ein Farbklecks von verschiedenen Testpersonen auf unterschiedliche Weise gedeutet werden kann. Nein, bei diesem Test zeigen die Karten ein definitiv festgelegtes Objekt. Eins und nur eins. Und in diesem Fall ist es ein Hund.«
    »Ein was?«
    »Ein Hund.«
    »Woher wissen Sie, dass es ein Hund ist?« Fred sah keinen Hund. »Zeigen Sie ihn mir.« Der medizinische Beamte…
     
    Diese Schlussfolgerung findet ihren experimentellen Beweis durch den so genannten ›Spaltungsversuch‹, bei dem die beiden Gehirnhemisphären eines Tieres darauf trainiert werden, unabhängig voneinander wahrzunehmen, Strategien zu erwägen und zu handeln. Beim Menschen, wo die dominanten, handlungsrelevanten Denkfunktionen sehr ausgeprägt in nur einer Hemisphäre verortet sind, hat sich die andere Hemisphäre offensichtlich auf eine strukturell andersartige Form des Denkens spezialisiert, die man appositionell nennen kann. Die Regeln oder Modelle, nach denen die Denkakte der dominanten Hemisphäre (jener also, die spricht, liest und schreibt) ablaufen, sind bereits seit vielen Jahren Gegenstand syntaktischer, semantischer, mathematisch-logischer und anderer Analysen. Die Gesetze und Modelle, nach denen hingegen auf der anderen Seite des Gehirns das appositionelle Denken abläuft, bedürfen noch viele Jahre intensiver Erforschung.
     
    … wendete die Karte. Auf der Rückseite war als schematisch stark vereinfachter Umriss ein Hund zu sehen, und Fred erkannte, dass es sich dabei tatsächlich um die Form handelte, die inmitten der Linien auf der Vorderseite eingezeichnet war. Tatsächlich war es nicht nur einfach irgendein Hund, sondern eine ganz bestimmte Rasse: ein Windhund.
    »Was bedeutet es«, fragte er, »dass ich stattdessen ein Schaf gesehen habe?«
    »Vielleicht haben Sie einfach nur eine psychische Blockade«, erwiderte der Beamte, der neben dem Tisch stand und sein Gewicht dauernd von einem Fuß auf den anderen verlagerte. »Erst wenn wir mit dem ganzen Stapel von Testkarten durch sind und diverse andere Tests…«
    »Die Überlegenheit dieses Tests gegenüber dem Rorschach-Test«, unterbrach ihn der andere Beamte, während er die nächste Zeichnung auf den Tisch legte, »besteht darin, dass er nicht interpretativ ist – es gibt so viele falsche Antworten, wie man sich nur ausdenken kann, aber nur eine richtige. Pro Karte ein ganz bestimmtes Objekt, vom Bundesamt für Psychotest-Graphiken eingezeichnet und mit Brief und Siegel bestätigt. Das und nur das ist das richtige Objekt, denn schließlich kommen die Angaben direkt aus Washington. Entweder finden Sie es oder Sie finden es nicht, und wenn Sie eine ganze Serie von Fehlern machen, dann haben wir einen Anhaltspunkt für eine funktionale Wahrnehmungsbeeinträchtigung. Und in diesem Fall werden wir Sie für eine Weile trockenlegen müssen – so lange, bis spätere Tests beweisen, dass bei Ihnen wieder alles okay ist.«
    »In einer staatlichen Nervenklinik?«
    »Ja. Also, was sehen Sie in dieser Zeichnung zwischen den schwarzen und weißen Linien?«
    Die Stadt des Todes, dachte Fred, während er die Zeichnung studierte. Genau das sehe ich: Tod in allen Formen und nicht nur in der einen, korrekten – Tod überall. Angeheuerte Killer auf kleinen Wägelchen, neunzig Zentimeter groß. »Sagen Sie mal, hat Sie nicht doch der Vortrag vor dem Lions Club auf mich aufmerksam gemacht?«
    Die beiden medizinischen Beamten sahen sich kurz an.
    »Nein«, sagte dann der, der neben dem Tisch stand. »Es war ein kurzes Gespräch zwischen Ihnen und Hank. Eigentlich nur eine beiläufige Bemerkung, eine Blödelei. Ungefähr vor zwei Wochen… Wie Sie sicher wissen, gibt es eine technisch bedingte Verzögerung bei der Sichtung dieses ganzen Mülls, dieser ganzen Rohinformationen, die bei uns zusammenlaufen. Die zuständigen Sachbearbeiter sind noch gar nicht bis zu Ihrem Vortrag gekommen. Das wird wohl auch noch ein paar Tage dauern.«
    »Worum ging’s denn bei der ›Blödelei‹?«
    »Um ein gestohlenes Fahrrad«, erwiderte der andere Beamte. »Ein Sieben-Gang-Rad, wie Sie es nannten. Sie haben versucht, herauszufinden, wo wohl die fehlenden drei Gänge geblieben waren, richtig?« Wieder blickten sich die beiden medizinischen Beamten an. »Sie äußerten die Vermutung, dass die Gänge auf dem Boden der Garage liegen geblieben sein könnten, aus der das Rad

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