Der dunkle Schirm

abstrakte Denken eine entscheidende Rolle? Und nicht…«
    »Das könnte man meinen«, unterbrach ihn der sitzende Beamte. »Doch Tests haben gezeigt, dass das kognitive System versagt, wenn es keine akkuraten Daten erhält. Mit anderen Worten: Der Input ist auf eine solche Weise verzerrt, dass man, wenn man ihn verarbeiten will, ihn falsch verarbeitet, weil man nicht…« Er fuhr mit den Händen in der Luft herum – es fiel ihm sichtlich schwer, die Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären.
    »Aber ein Zehn-Gang-Rad hat sieben Zahnräder. Was wir gesehen haben, war korrekt. Zwei vorne, fünf hinten.«
    »Nur sind die Zahnräder eben nicht mit den Gängen identisch. Sie haben nicht wahrgenommen – keiner von Ihnen hat das –, wie die sieben Zahnräder durch die Kette miteinander in Verbindung treten, sodass zehn verschiedene Übersetzungen und damit zehn Gänge entstehen. Nämlich die fünf hinten mit jedem der beiden vorne, so, wie der Schwarze Ihnen das erklärt hat. War er ein sehr gebildeter Mann?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Das, was er gesehen hat«, sagte der stehende Beamte, »unterschied sich grundlegend von dem, was Sie alle gesehen haben. Er sah zwei gesonderte Verbindungslinien zwischen dem rückwärtigen und dem vorderen Zahnradsystem, das heißt, er konnte simultan zwei voneinander verschiedene Verbindungslinien wahrnehmen, die von den beiden vorderen Zahnrädern zu jedem der fünf hinteren verliefen. Sie hingegen haben nur eine Verbindung gesehen.«
    »Aber das würde doch sechs Gänge ergeben«, erwiderte Fred. »Zwei Zahnräder vorne, nur eine Verbindung.«
    »Was wiederum ein Fall von inakkurater Wahrnehmung ist… Niemand hat dem schwarzen Jungen das beigebracht. Wenn man ihm in der Schule überhaupt was beigebracht hat, dann höchstens, durch Nachdenken – also durch eine Aktivität auf der kognitiven Ebene – herauszufinden, was es mit diesen beiden Verbindungslinien auf sich haben könnte. Sie hingegen haben eine davon völlig übersehen. Sie alle! Obwohl Sie vorne zwei Zahnräder gezählt haben, haben Sie sie auf der perzeptiven Ebene als Einheit aufgefasst.«
    »Beim nächsten Mal werd ich’s besser machen.«
    »Bei welchem nächsten Mal? Wenn Sie wieder ein geklautes Zehn-Gang-Rad kaufen? Oder wenn Sie den ganzen Input, der so anfällt, in Ihrem Gehirn verarbeiten?«
    Fred schwieg.
    »Fahren wir mit dem Test fort«, sagte der sitzende Beamte. »Was sehen Sie in diesem Bild hier, Fred?«
    »Plastik-Hundescheiße. Wie sie hier im Raum Los Angeles verkauft wird. Kann ich jetzt gehen?« All das kam Fred wie eine Neuauflage seines Vortrags vor dem Lions Club vor.
    Doch zu seiner Überraschung lachten die beiden Beamten.
    »Wissen Sie, Fred«, sagte der, der ihm gegenübersaß, »Sie nehmen’s wenigstens noch mit Humor, und wenn Sie den auch in Zukunft behalten, dann werden Sie’s vielleicht machen.«
    »Machen?«, wiederholte Fred. »Was machen? Meinen Weg machen? Eine Braut anmachen? Meine Fehler wiedergutmachen? Mir in die Flose machen? Geld machen? Boden gutmachen? Noch mehr von diesem Scheiß hier durchmachen? Definieren Sie die Bedeutung des von Ihnen verwendeten Begriffs! Das lateinische Wort für ›machen‹ ist facere, was mich immer an fuckere erinnert, und das ist lateinisch für ›ficken‹, und das wiederum bringt mich darauf, dass in der Hinsicht…
     
    Das Gehirn der höheren Tiere – und somit auch das menschliche Gehirn – ist ein Doppelorgan, bestehend aus einer rechten und einer linken Hemisphäre, die durch einen Isthmus aus Nervengewebe, den man ›Corpus Callosum‹ nennt, miteinander verbunden sind. Vor rund fünfzehn Jahren machten Ronald E. Myers und R.W. Sperry, die damals an der Universität von Chicago arbeiteten, eine überraschende Entdeckung: Wenn diese Verbindung zwischen den beiden Hälften des Cerebrums durchtrennt wird, so funktionieren beide Hemisphären unabhängig voneinander – als sei jede davon ein vollständiges Gehirn.
     
    … in letzter Zeit nicht sehr viel gelaufen ist. Scheiß was drauf, Plastikscheiße oder richtige Scheiße oder was für Scheiße auch immer. Wenn ihr Jungs so 'ne Art Psychologen seid und ihr euch laufend meine Rapporte bei Hank anhört, dann sagt mir doch mal eins: Wie deichsle ich die Sache mit Donna? Wie komme ich an sie ran? Wie macht man das? Bei so einer süßen, spröden kleinen Braut wie der?«
    »Jedes Mädchen ist anders«, sagte der sitzende Beamte.
    Fred beachtete ihn gar nicht. »Ich meine, auf