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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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denen sich der Neue Pfad finan-zierte. Aber es war immer genügend Geld da. Tja, dachte Mike, man kann schon eine schöne Stange Geld machen, wenn man Substanz T herstellt. Draußen auf verschiedenen ländlichen Farmen in abgeschiedener Lage, in klei-449
    nen Läden, in diversen Institutionen, die unter dem Etikett »Schulen« liefen. Herstellung, dann Verteilung und schließlich Verkauf. Profite allerorten. Sie reichten bestimmt dafür, daß der Neue Pfad solvent blieb und weiter gedeihen konnte – und wahrscheinlich sogar für mehr.
    Für eine ganze Reihe von Endzielen.
    Die sich daraus bestimmten, was der Neue Pfad eigentlich vorhatte.
    Er wußte etwas – die für die Eindämmung des Dro-
    genhandels zuständige Regierungsstelle wußte etwas –, von dem der größte Teil der Öffentlichkeit, ja selbst die Polizei, keine Ahnung hatte.
    Wie Heroin war auch Substanz T organisch und kei-
    neswegs ein Laborprodukt.
    Und darum war es nicht ohne Doppelsinn, wenn er,
    wie so oft, nun dachte, daß all diese Profite dazu beitru-gen, den Neuen Pfad gut bei Kasse zu halten und ihn gedeihen zu lassen.
    Die Lebenden, dachte er, sollten nie dazu benutzt werden, den Absichten der Toten zu dienen. Aber die Toten
    – er warf einen flüchtigen Blick auf Bruce, die leere Hül-le neben ihm – sollten, wenn möglich, den Absichten der Lebenden dienen.
    Das, überlegte er, ist das Gesetz des Lebens.
    Und wenn die Toten überhaupt noch etwas fühlen
    konnten, dann mochten sie sich vielleicht besser fühlen, wenn sie das taten.
    Die Toten, dachte Mike, die immer noch sehen kön-
    nen, selbst wenn sie nichts mehr begreifen: Sie sind unsere Kamera.
    450

XVI
    Unter dem Ausguß in der Küche, bei den Seifenkisten und Bürsten und Eimern, fand er ein kleines Knochenstückchen. Es sah irgendwie menschlich aus, und er fragte sich, ob das Jerry Fabin sein mochte.
    Dieser Fund weckte in ihm die Erinnerung an ein Er-
    eignis, das schon sehr lange zurückliegen mußte. Einmal hatte er mit zwei anderen Typen zusammengewohnt, und manchmal hatten sie im Scherz behauptet, eine Ratte namens Fred zu besitzen, die unter dem Ausguß lebte.
    Und als sie einmal total pleite gewesen waren, so pflegten sie ihren Bekannten zu erzählen, hatten sie den armen alten Fred aufgegessen.
    Vielleicht war das hier einer der Knochen jener Ratte, die unter dem Ausguß gehaust hatte. Die sie erfunden hatten, damit sie nicht so allein waren.

    *

    Die Gespräche im Gemeinschaftsraum.
    »Dieser Typ war noch ausgeflippter, als er nach außen hin wirkte. Ich spürte das. Eines Tages fuhr er hinauf nach Ventura und kurvte überall rum, um einen alten Freund zu suchen, der landeinwärts in Richtung Ojai wohnte. Er erkannte das Haus, ohne nach der Nummer zu sehen, hielt an und fragte die Leute, ob er mit Leo sprechen könne. ›Leo ist schon tot. Tut mir leid, daß Sie das nicht wußten.‹ Und darauf sagt dieser Typ zu ihnen: 451
    ›Okay, dann komme ich eben nächsten Donnerstag noch mal wieder.‹ Und er fuhr weg, fuhr zurück die Küste runter, und ich schätze, daß er am Donnerstag wieder rauf-gefahren ist, um Leo zu suchen. Wie findet ihr das?«
    Er hörte ihrer Unterhaltung zu und trank dabei seinen Kaffee.
    »– es funktioniert echt, das Telefonbuch, in dem nur eine einzige Nummer drinsteht; egal, wen man sprechen will, man wählt immer diese eine Nummer. Seite um Seite immer nur die gleiche Nummer … ich sprech’ natürlich von ‘ner total ausgeflippten Gesellschaft. Und in deiner Brieftasche hast du diese Nummer auch, die Nummer, hingekritzelt auf Zettel und Karten, für verschiedene Leute. Und wenn du die Nummer vergißt,
    dann könntest du niemanden mehr anrufen.«
    »Du könntest die Auskunft anrufen.«
    »Die hat dieselbe Nummer.«
    Er hörte immer noch zu; er fand den Ort, den sie da beschrieben, sehr interessant. Wenn man anrief, hörte man vielleicht »Kein Anschluß unter dieser Nummer«, oder jemand meldete sich und sagte: »Tut mir leid, Sie sind falsch verbunden. Haben Sie vielleicht die falsche Nummer gewählt?« Und darum rief man noch mal an,
    wählte einfach wieder dieselbe Nummer, und diesmal
    war die Person dran, die man sprechen wollte.
    Wenn man zum Arzt ging – es gab nur einen, und der
    war Spezialist für alles –, dann gab es nur eine Medizin.
    Nachdem der Arzt einen untersucht hatte, pflegte er immer diese Medizin zu verschreiben. Man brachte das Re-zept zur Apotheke, um es dort einzulösen, aber der Apo-452
    theker konnte nie lesen,

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