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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Stunde malocht, um ihn über den Zaun zu hieven. Eines Tages –«
    »Wieviel von dem, was du zurückgelegt hast, hast du eigentlich gekauft?« fragte er, »und wieviel davon gestohlen?«
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    »Gekauft?« Sie studierte unsicher sein Gesicht. »Was meinst du mit kaufen?«
    »Etwa, wie wenn du Dope kaufst«, sagte er. »Das, was bei einem Dope-Deal vor sich geht. Jetzt zum Beispiel.«
    Er zückte seine Brieftasche. »Ich gebe dir Geld, richtig?«
    Donna nickte und blickt ihn an, gehorsam (das jedoch wohl mehr aus Höflichkeit), aber trotzdem würdevoll.
    Und ein wenig reserviert.
    »Und dann gibst du mir dafür eine Ladung Dope«, sagte er, während er ihr zugleich die Scheine hinhielt. »Was ich mit kaufen meine, ist eine Ausdehnung dessen, was wir hier gerade machen, wir beide, bei diesem Dope-Deal, in die größere Welt menschlicher Geschäftsbeziehungen.«
    »Ich glaube, das versteh’ ich«, sagte sie. Ihre großen, dunklen Augen waren sanft, aber lebhaft. Sie war immer bereit, etwas dazuzulernen.
    »Als du kürzlich diesen Coca-Cola-Lieferwagen ge-
    stoppt und leergemacht hast – wie viele Flaschen Coke hast du da eigentlich geklaut? Wie viele Kästen?«
    »Genug für einen Monat«, sagte Donna. »Für mich
    und meine Freunde. «
    Er starrte sie tadelnd an.
    »Das ist auch eine Art von Tauschhandel«, sagte sie.
    »Aber was –« Er begann zu lachen. »Was gibst du
    denn zurück?«
    »Ich gebe etwas von mir selbst.«
    Jetzt lachte er lauthals. »Wem? Dem Fahrer des Lastwagens, der den Schaden vielleicht ersetzen –«
    »Die Coca-Cola-Company ist ein kapitalistisches Mo-
    nopolunternehmen. Kein anderer außer denen kann Co-
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    ca-Cola herstellen. Das ist wie bei der Telefongesellschaft. Wenn du jemanden anrufen willst, meine ich. Alles kapitalistische Monopole. Wußtest du schon« – ihre dunklen Augen blitzten – »daß die Formel von Coca-Cola ein sorgfältig gehütetes Geheimnis ist, das von Generation zu Generation weitervererbt wird und das jeweils nur wenige Personen kennen, die alle der gleichen Familie angehören? Und daß es keine Coke mehr geben wird, wenn der letzte von denen, die die Formel auswendig kennen, stirbt? Darum ist ja auch sicherheitshalber eine Niederschrift der Formel irgendwo in einem Safe deponiert«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Ich möchte zu gerne wissen, wo«, sagte sie wie im Selbstgespräch. Ihre Augen flackerten.
    »Du und deine Klaubrüder werden die Coca-Cola-
    Formel niemals finden, nicht in einer Million Jahren.«
    »WARUM ZUM TEUFEL SOLLTE MAN ÜBER-
    HAUPT EIN INTERESSE DARAN HABEN, COKE
    HERZUSTELLEN, WENN MAN ES DOCH VON IH-
    REN LIEFERWAGEN KLAUEN KANN? Die haben
    eine Menge Lieferwagen. Du siehst sie doch dauernd auf der Straße, und sie fahren richtig schön langsam. Ich häng’ mich immer an sie dran, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet; das macht sie echt sauer.« Sie bedachte ihn mit einem verstohlenen, listigen, lieblichen kleinen Ko-boldlächeln, als wolle sie versuchen, ihn durch die Magie dieses Lächelns in ihre eigene, seltsame Wirklichkeit hinüberzuziehen, in der sie mit blitzender Lichthupe immer wieder gefährlich dicht auf einen der langsamen Lieferwagen auffuhr und dabei immer wütender und unge-
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    duldiger wurde und dann, wenn der Fahrer des Lastwagens auf den Randstreifen fuhr, um sie vorbeizulassen, nicht wie andere Fahrer mit ihrem Wagen vorbeizog,
    sondern ebenfalls anhielt und alles stahl, was auf dem Lieferwagen war. Und das letztlich nicht, weil sie ein Dieb war oder etwa gar aus Rache, sondern weil sie zu dem Zeitpunkt, da der Lieferwagen endlich an den Rand fuhr, schon so lange auf die Kisten mit Coke gestarrt hatte, daß sie mittlerweile einen Verwendungszweck für das Zeug gefunden hatte. Schiere Wut hatte sich in praktisches Denken verwandelt. Sie hatte ihren Wagen – nicht den MG, sondern den größeren Camaro, den sie damals noch nicht zu Schrott gefahren hatte – mit einer Menge von Coke-Kästen vollgeladen, und dann hatten sie und ihre Langfingerfreunde einen Monat lang so viel Coke getrunken, wie ihr Herz begehrte. Und im Anschluß daran – hatte sie das Leergut in verschiedene Läden zurück-gebracht. Wegen des Flaschenpfandes.
    »Was hast du eigentlich mit den Schraubverschlüssen gemacht?« hatte er sie einmal gefragt. »Sie in Kattun gewickelt und sie in deiner Zedernkiste gehortet?«
    »Ich hab’ sie weggeworfen«, hatte sie mürrisch ge-
    antwortet. »Man kann doch mit diesen Coke-Ver-
    schlüssen überhaupt

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