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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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nichts anfangen. Es gibt nicht mal mehr Sammelwettbewerbe oder sonst was in der Art.«
    Donna verschwand jetzt im Nebenraum und kam un-
    mittelbar darauf mit mehreren Polyäthylen-Tüten zurück.
    »Willste nachzählen?« erkundigte sie sich. »Es sind ganz bestimmt tausend. Ich hab’ sie auf meiner Feinwaage ab-gewogen, bevor ich bezahlt hab’.«
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    »Ist schon okay«, sagte er. Er nahm die Beutel entgegen und sie das Geld, und er dachte: Donna, einmal mehr könn-te ich dich in den Knast bringen, aber das werde ich vielleicht nie machen, ganz egal, was du tust, selbst wenn es gegen mich gerichtet ist, weil du so etwas Wundervolles und Lebendiges und Süßes an dir hast, und das würde ich nie zerstören können. Ich verstehe es nicht, aber es ist da.
    »Könnte ich zehn haben?« fragte sie.
    »Zehn? Zehn Tabs zurück? Klar.« Er öffnete einen der Beutel – er ließ sich nur schwer aufknoten, aber er verfügte über die nötige Fingerfertigkeit – und zählte genau zehn für sie ab. Und dann zehn für sich selbst. Dann band er den Beutel wieder zu und brachte alle Beutel zu seinem Mantel im Schrank.
    »Weißt du, was die jetzt in den Cassetten-Läden ma-
    chen?« sagte Donna mit sichtlicher Wut, als er zurückkam. Die zehn Tabs waren nirgendwo zu sehen; sie hatte sie schon ihrem Stash einverleibt. »Wegen der Cassetten, meine ich?«
    »Sie nehmen dich fest«, sagte er, »wenn du welche
    davon stiehlst.«
    »Das haben sie doch schon immer gemacht. Aber jetzt haben sie einen neuen Trick – hängt mit dem Preisschild zusammen, das die Verkäufer immer abmachen, wenn du eine LP oder eine Cassette mit zur Kasse bringst. Rat mal, welchen. Du wirst nie draufkommen, was ich herausgefunden hab’. Beinah’ hätt’s mich dabei übrigens erwischt.« Sie warf sich in einen Sessel, grinste erwartungsvoll und holte einen kleinen, in Alufolie eingewik-kelten Würfel aus der Tasche, den er sofort als einen 261
    Brocken Hasch identifizierte, noch bevor sie ihn ausge-wickelt hatte. »Das ist nicht einfach, nur ein aufgeklebtes Preisschild. Es enthält auch ein winziges Stückchen einer ganz bestimmten Metallegierung, und wenn der Verkäufer an der Kasse das Preisschild nicht abgemacht hat und du damit durch die Tür zu gehen versuchst, dann geht eine Alarmsirene los.«
    »Und wie hast du das rausgekriegt?«
    »Direkt vor mir war so ‘n Teenybopper, die mit ‘ner Cassette unter dem Mantel rausmarschieren wollte. Die Alarmsirene ging los, und die Angestellten schnappten sie sich und riefen die Bullen.«
    »Wie viele hattest du denn unter deinem Mantel?«
    »Drei.«
    »Hattest du auch Dope im Wagen?« fragte er. »Wenn
    sie dich nämlich erst mal beim Cassettenklauen erwischt haben, dann beschlagnahmen sie auch deinen Wagen,
    wenn du auch nur ‘n bißchen so aussiehst, als könntest du noch mehr auf dem Kerbholz haben. Und wenn sie
    ihn dann abschleppen und bei der Routinedurchsuchung den Stoff finden, lochen sie dich auch dafür noch ein. Ich wette, das war nicht mal hier in L. A. oder? Ich wette, du hast das irgendwo gemacht, wo –« Er hatte gerade anset-zen wollen zu sagen: Wo du niemanden vom Rauschgiftdezernat kennst, der sich für dich einsetzen könnte. Aber das durfte er nicht sagen, weil er sich selbst damit meinte; falls Donna jemals wegen Drogenbesitz hopsgenommen werden würde, würde er sich, wenigstens im Rah-
    men seiner Möglichkeiten, den Arsch abrackern, um ihr zu helfen. Aber er konnte überhaupt nichts für sie tun, 262
    wenn sie nicht in Los Angeles selbst, sondern beispielsweise im L. A. County festgenommen wurde! Und wenn
    das jemals passierte, womit man eines Tages wohl rechnen mußte, dann würde es wahrscheinlich ausgerechnet dort geschehen: zu weit weg, als daß er davon erfahren würde oder ihr helfen konnte. In seinem Kopf spulte er eine Phantasienummer ab, eine echte Horrorshow: Donna, die ähnlich wie Luckman starb, ohne daß jemand es hörte oder sich dafür interessierte oder etwas unternahm.
    Selbst wenn sie es hörten, mochten sie genau wie Barris unbeteiligt und träge abwarten, bis für Donna alles zu spät war. Sie würde nicht richtig sterben, nicht so, wie Luckman gestorben war – war? Beinahe gestorben war, verbesserte er sich. Aber weil sie süchtig nach Substanz T war, würde sie nicht nur einfach ins Gefängnis wandern, sondern zugleich auch zwangsweise auf Entzug
    gehen müssen. Cold Turkey. Und da sie nicht nur Drogen konsumierte, sondern auch dealte – und schließlich war

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