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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie sich mit dem feuchten Tuch, das ihr Trine reichte, noch einmal über die Augen. Als sie es weglegen wollte, erkannte sie es.
    »O Trine, dein größter Schatz. Nun ist er verdorben!«, sagte sie und brach in haltloses Weinen aus.
    Etwas hilflos sah sie Pater Ivo an und schüttelte den Kopf.
    »Begine, Ihr seid gerettet. Nun vergießt Ihr heiße Tränen über einen dünnen Lappen. Bezähmt Euch, dummes Ding. Wir haben noch Wichtigeres zu tun!«
    »Aber es ist der Schleier, den Aziza ihr geschenkt hat. Sie bewunderte ihn so!«, schluchzte Almut. »Und ich bin kein dummes Ding!«, begehrte sie dann auf. »Wenn Ihr wüsstet, welche Angst ich hatte!«
    Das Schluchzen hatte aufgehört, dafür zitterte sie nun am ganzen Leib. Trine setzte sich an ihre andere Seite und umarmte sie, während Pater Ivo, der bislang seine Fantasie streng im Zaum gehalten hatte, von der Vorstellung übermannt wurde, wie sie die letzten Stunden in dem finsteren, feuchten, von giftigem Gestank verseuchten Keller zugebracht haben musste. Und mit dieser Vorstellung wuchs seine Wut.
    »Und nun, de Lipa, wird es Zeit, dass hier Wahrheit an den Tag kommt.«
    »Herr Rudger ist nicht zu finden!«, meldete Grit.
    »Dann verschwindet jetzt und schließt die Tür hinter Euch!«, befahl Pater Ivo.
    Grit setzte ein störrisches Gesicht auf, aber de Lipa scheuchte sie mit einer herrischen Handbewegung hinaus. »Du auch, Dietke!«
    »Nein, Eure Frau bleibt hier!«
    »Wozu?«
    »Weil sie sich zu verantworten hat.«
    Almuts Reaktion auf das Entsetzen der letzten Stunden ebbte langsam ab, und sie löste sich aus Trines Umklammerung.
    »Ja, Frau Dietke muss hierbleiben, und ich glaube nicht, de Lipa, dass irgendetwas, das wir zu sagen haben, ihr neu ist! Kommt näher, Frau Dietke.«
    Diese zögerte, fluchtbereit schaute sie zur Tür, doch ihr Mann nahm sie grob bei den Schultern und drückte sie auf einen Stuhl.
    »Nun? Was habt Ihr zu sagen?«
    »Begine? Fühlt Ihr Euch in der Lage, Euren Teil zu berichten?«
    »Ja, Pater«, sagte Almut heiser. »Frau Dietke, an dem Tag, als Jean de Champol in Eurem Haus starb, fand ich an seinem Bett Euren Silberspiegel. Ihr werdet ihn sicher vermisst haben!«
    Erstaunt sah Dietke sie an.
    »Ja, ich muss ihn irgendwo verloren haben. Ich wusste nicht, dass es in seinem Zimmer war. Aber warum auch nicht, ich habe ihm das Essen selbst gebracht und hin und wieder nach ihm geschaut, als er krank war. Er wird mir aus der Tasche gefallen sein?«
    »Pater Ivo, habt Ihr den Spiegel dabei?«
    »Hier ist er!«
    Der schwarze Spiegel lag auf dem Tisch, und de Lipa sog zischend die Luft durch die Zähne ein.
    »Ein böses Zeichen!«
    »Wenn Ihr so wollt – ja. Ein böses Zeichen.«
    Almut nestelte an ihrem Halsausschnitt und zog das silberne Kreuz hervor, das einst ihrer Mutter gehört hatte. Sie legte es daneben auf den Tisch.
    Es war schwarz.
    »Diesem Spiegel ist das Gleiche widerfahren wie diesem Kreuz, de Lipa. Silber wird schwarz, wenn es tödlichen Schwefeldämpfen ausgesetzt ist. Dämpfen, die durch Fäulnis entstehen, so, wie sie sich in Kloaken bilden. Ich hatte heute lange genug Zeit, darüber nachzudenken, was geschehen ist. Und Ihr und ich, wir können von Glück und Gottes Barmherzigkeit sprechen, dass gerade heute die Goldgräber Eure Kloake gereinigt haben. Denn ansonsten wäre ich jetzt ebenso tot wie Jean. Die faulige Luft aus der Sickergrube fängt sich vor allem in diesem Kellergewölbe, in dem ich eingesperrt war, denn die Türe dazu wird selten geöffnet. Habe ich Recht?«
    »Wir wussten von dem üblen Geruch, er störte uns«, antwortete de Lipa, jetzt wieder gefasster.
    »Ihr habt sogar meinen Vater beauftragt, die Kloake zu verlegen.«
    »Euren Vater, richtig. Ihr seid ja Meister Conrads Tochter.«
    Mit einem anerkennenden Blick auf Trine fuhr Almut fort: »Trine hat, fragt mich nicht wie, von Eurem Haushofmeister eine traurige Geschichte erfahren. Er hatte einen Hund, den er sehr liebte, nicht wahr?«
    De Lipa nickte.
    »Dieser Hund hat Ratten gejagt, und vor kurzem ist er dabei in den besagten Keller geraten und aus Versehen dort eingesperrt worden. Als Euer Bruder ihn endlich fand, Frau Dietke, waren er und die Ratte tot. Die Ratte, weil er sie erlegt hatte, der Hund, weil er in den fauligen Dämpfen erstickt war. Euer Bruder Rudger wusste um die tödliche Falle in diesem Haus. Und Ihr, Frau Dietke, wusstet um die Verirrungen Eures Gatten. Wer von Euch beiden hat Jean ermordet?«
    Hermann de Lipa war bei den

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