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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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übel.
    »Ich gehe nachmittags zu ihnen, Thea begleitet mich. Sie muss aber heute früh noch den alten Korffmecher für die Beerdigung herrichten.«
    Dann wurde es aber doch später Nachmittag, bis Almut sich auf den Weg machen konnte, denn als die Glocken der umliegenden Klöster die Sext verkündeten, wurden die Beginen gebeten, sich im Haupthaus zu versammeln, um ihre Meisterin zu begrüßen. Das große Haus war ein solider, zweistöckiger Steinbau, der früher einem der Pächter des Stifters zur Verfügung gestanden hatte. In ihm befand sich ebenerdig ein großer Raum, den die Beginen, Gepflogenheiten der Klöster entsprechend, Refektorium nannten, der jedoch nicht nur zu den Mahlzeiten genutzt wurde, sondern auch als Aufenthalts- und Versammlungsraum diente. Vor allem im Winter hielten sie sich gerne dort auf, denn in ihm befand sich auch der Kamin. Einen zweiten ebenerdigen Raum benutzten die drei Weberinnen als Werkstatt, in der sie ihre zarten Seidenstoffe herstellten und lagerten. Im oberen Stockwerk gab es ein größeres Zimmer, in dem Magda von Stave, die Meisterin, wohnte und ihren Arbeiten nachging, und fünf kleine Kammern, in denen Thea, Rigmundis und die drei Weberinnen untergebracht waren. Der Keller, der aus soliden Gewölben bestand, nahm die ganze Länge des Hauses ein und diente als Vorratslager. Im Anbau des Hauses befanden sich inzwischen die Küche und die Kammer der Köchin Gertrud.
    Tags zuvor war Magda von Stave zurückgekehrt. Die Meisterin des Beginen-Konventes hatte in Begleitung zweier Benediktinerinnen ein Kloster in Aachen besucht, wo eine entfernte Verwandte von ihr lebte. Sie hatte Neuigkeiten mitgebracht, die sie den versammelten Beginen nicht vorenthalten wollte.
    »Der Erzbischof hat Wenzel zum römischen König gekrönt«, erzählte sie. »Wir haben indessen nicht viel davon mitbekommen. Aber gleichzeitig hat Kaiser Karl IV auf dem Gerichtstag in Aachen noch einmal bestätigt, dass Köln in der Acht bleibt, weil der Erzbischof Friedrich III die Stadt der Bosheit gegen ihn angeklagt hat. Nun ja, bisher haben wir ja noch nicht viel davon bemerkt. Der Handel ist zwar verboten, aber wie ich gesehen habe, liegen im Hafen genauso viele Schiffe wie immer. Außerdem habe ich gehört, dass Friedrich von Saarwerden selbst in Schwierigkeiten steckt, weil er die 120000 Florin, die er dem Papst für seine Einsetzung als Erzbischof versprochen hat, noch nicht gezahlt hat. Er ist schon im vergangenen September exkommuniziert worden, hat aber weiter geistliche Verrichtungen vorgenommen und wird jetzt als irregulär betrachtet.«
    »Hat das Konsequenzen für uns?«, fragte Clara, die als Einzige lebhaftes Interesse an den politischen Verwicklungen zeigte.
    »Ich glaube nicht. Der Erzbischof will zwar die Kleriker veranlassen, die Stadt zu verlassen, so dass hier keine Messen mehr gehalten werden können, auch keine Beerdigungen, Hochzeiten oder Taufen und so weiter, aber die Stadt Köln hat denjenigen Priestern, Mönchen und Nonnen, die bleiben wollen, ihren Schutz angeboten. Nur die hohe Gerichtsbarkeit ruht, die Schöffen sind mit Friedrich nach Bonn gezogen. Das weltliche Gericht ist jedoch davon nicht betroffen.«
    »Also, wozu die ganze Aufregung – die Stadt kümmert sich nicht um die Acht, der Erzbischof nicht um die Exkommunikation, die Kleriker nicht um den Erzbischof und die Schöffen nicht um die Verbrecher. Ist doch alles wie immer!«
    Thea hatte die Lage kurz und bündig zusammengefasst, und Magda, normalerweise sehr zurückhaltend in ihren Reaktionen, schüttelte schmunzelnd den Kopf. Doch dann wurde sie wieder ernst.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass es am Sonntag wieder unliebsames Aufsehen während der Messe gegeben hat. Es ist euch doch klar, in welche Schwierigkeiten wir in unserem Stand geraten können! Erinnert euch, dass vor noch nicht einmal sieben Jahren die Inquisition in Erfurt vierhundert Beginen wegen Ketzerei verurteilt hat. Zweihundert von ihnen sind auf dem Scheiterhaufen gelandet. Wir können von Glück sprechen, dass wir hier in Köln von den Bürgern und vom Rat wohlwollend geduldet werden. Der leiseste Hauch von Häresie oder ketzerischen Bemerkungen kann uns den Inquisitor vor die Tür bringen.«
    Elsa zuckte wie geschlagen zusammen und sandte Almut einen bösen Blick. Diese schüttelte jedoch nur den Kopf und fragte: »Seit wann ist es Häresie, wenn wir die Bibel zitieren?«
    »Almut, die Bibel ist ein weises Buch, und viel steht darin geschrieben, das

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