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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wenig schloss sie die Lider, ließ die Bilder des Tages vorüberziehen, ohne sie jedoch einzufangen. Irgendwann stand Clara auf, und es setzte sich ein anderer neben sie und nahm ihre Hände in die seinen. Raue, harte, schwielige Hände. Die Stimme kannte sie, ja, aber die Augen mochte sie nicht öffnen. Wieder tauchte sie in ihre Erinnerungen ein und sah wieder die Gestalt in Blau vor sich, die ihr in der Kirche beigestanden hatte. Ihr Gesicht verschmolz wieder mit dem der Mariengestalt, und tiefe Freude erfüllte Almut.
    »Sie hat mir geholfen!«, flüsterte sie leise.
    »Wer hat dir geholfen, Tochter?«, fragte die Stimme neben ihr.
    Doch ein Rest ihres nun schon sehr umnebelten Verstandes warnte sie davor, zu viel zu sprechen. Aber sie hob träge die Lider und erkannte ein vertrautes männliches Gesicht. Es verschwamm wieder, wurde plötzlich zu einem weiblichen Gesicht, und das war der Moment, in dem Almut alle Vorsicht vergaß und hemmungslos anfing zu kichern.
    Es war ihr Vater, der die von Lachkrämpfen geschüttelte Almut schließlich in ihre Kammer trug, und seine Frau Barbara half Clara danach, die völlig schlaffe Gestalt zu Bett zu bringen. Sie erfuhren dabei Erstaunliches!
    Mühsam öffnete Almut die Augen. Es war heller Tag, und jemand rief ihren Namen.
    »Frau Barbara… O heilige Bibiane, ist mir schlecht!«
    Geistesgegenwärtig reichte ihre Stiefmutter ihr die Waschschüssel, und als sich Almut anschließend erschöpft niederlegte, rief sie die Magd und ließ sich frisches Wasser und Wein bringen.
    »Wie geht es dir, Almut?«
    »Jetzt besser. Habe ich lange geschlafen?«
    »Es hat eben zur Prim geläutet, es ist noch früh am Tag.«
    »Ihr seht müde aus, Frau Barbara. Habt Ihr die ganze Nacht bei mir gewacht?«
    »Abwechselnd mit deiner Freundin Clara.«
    Almut setzte sich auf und trank den verdünnten Wein.
    »Ich kann mich nicht an sehr viel erinnern, nur dass es sehr schön im Kräutergarten war. Erzählt mir, was geschehen ist!«
    Barbara sah sie mit einem schiefen Lächeln an und musste dann plötzlich loslachen.
    »Oh, du hast Verschiedenes versäumt. Deinen Vater, der beinahe den Weinhändler erwürgt hätte, zum Beispiel. Und dann dieses Schwein, das sich im Dreck gesuhlt hat und wie von einer Hornisse gestochen auf diesen Dominikaner losgegangen ist und seine schöne weiße Kutte über und über besudelt hat. Ich habe dieses schmutzige Mädchen im Verdacht, die Sau gegen ihn gehetzt zu haben. Jedenfalls wären wir den Inquisitor erst einmal los. Aber ich fürchte, er wird bald wieder auftauchen, um das Ergebnis seiner Machenschaften zu überprüfen.«
    »Es wird ihm nicht gefallen.«
    »Ja, aber jetzt kann er wirklich nichts mehr gegen dich unternehmen!«
    »Hoffentlich. Habe ich auch nichts gesagt oder getan, das er mir als Ketzerei anhängen kann?«
    »Nein, das nicht…«
    Verdutzt sah Almut zu Barbara auf.
    »Sondern?«
    »Oh, du hast nur deinen Vater in unendliche Verlegenheit gebracht.«
    »Ei wei, das wollte ich nicht. Was tat ich?«
    »Nun, du hast ihn…« Barbara kicherte kopfschüttelnd vor sich hin. »Also, du hast etwas herausgefunden, was er mir so gerne verheimlicht hätte. Allerdings wusste ich ein Gutteil davon schon.«
    »Ja, aber was denn?«
    »Nun, du hast von einer jungen Frau namens Aziza gesprochen und festgestellt, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit deinem Vater hat.«
    In diesem Augenblick erinnerte sich Almut wieder an die erstaunliche Erkenntnis, die sie im Rausch gehabt hatte.
    »Meine Schwester Aziza«, gluckste sie vor sich hin.
    »Ja, deine Halbschwester. Ich wusste, dass sich dein Vater, bevor er mich heiratete, eine Konkubine gehalten hat. Eine sehr schöne und kultivierte Maurin aus Cordoba. Von dem Kind ahnte ich etwas, habe ihn aber nie gefragt. Es war die Frau, die dir in der Kirche den Blütenkranz gereicht hat, nicht wahr?«
    »Ja, das war Aziza. Ich selbst habe sie erst vor wenigen Tagen kennen gelernt. Als ich Euch besuchen kam.«
    »Die Jungfrau in Nöten, ich verstehe. Weiß sie, wer du bist?«
    »Ich glaube nicht. Schwester nennt sie mich nur, weil ich eine Begine und für sie damit so gut wie eine Nonne bin.«
    »Wirst du es ihr sagen?«
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall bin ich ihr sehr dankbar.«
    Almut setzte sich vorsichtig auf den Bettrand und begann, den langen Zopf aufzuflechten.
    »Ich werde jetzt besser aufstehen und mich ankleiden. Hat sich übrigens Pater Ivo noch eingefunden?«
    »Der Priester? Nein. Er hätte dir

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