Der dunkle Spiegel
beistehen müssen, nicht wahr?«
»Ich hatte es gehofft. Nun ja, nicht auf alle kann man sich verlassen.«
Bruder Johannes hatte keine andere Möglichkeit, als seinen Verdacht gegen die Begine fallen zu lassen. Ungern, denn sie war trotz allem eine Sünderin, um deren Seelenheil zu ringen ihm Befriedigung verschafft hätte. Sie war so hoffärtig und stolz, so schwer zu brechen – eine echte Anstrengung wert. Und sicher wäre es für ihn sehr verdienstvoll in den Augen des Herrn, hätte er sie zu Buße und Reue bekehren können. So aber hatte der Weinhändler in der Gegenwart aller darauf bestanden, sie als mögliche Verbrecherin auszuklammern, und ihn mit barschen Worten angefahren, wenn er sich denn schon um diese üble Geschichte kümmern wolle, dann solle er gefälligst den wahren Mörder finden. Auch der Ratsherr von Stave, Magdas Bruder, hatte ihn darauf hingewiesen, dass vor gerade mal einem Jahr der Rat der Stadt Köln sich bei Papst Gregor XI. über die unzulässigen Belästigungen durch einen Inquisitor der Dominikaner beschwert hatte. Dieser Inquisitor hatte Köln recht überstürzt verlassen müssen.
Überstürzt verließ Bruder Johannes den Beginen-Konvent zwar nicht, aber als zum wiederholten Mal das monströse Kind und die dreckige Sau quiekend und grunzend auf ihn zutrotteten, zog er sich doch recht eilig zurück. Auch de Lipa verließ die Beginen kurz darauf, mürrisch und in sich gekehrt.
»Er hat Ärger genug, und jetzt das noch – Mord im eigenen Haus. Das schlägt seinem Ehrgeiz tiefe Wunden!«, stellte Barbara fest, als sie sich verabschiedete. »Komm uns bald wieder besuchen, Almut. Du bist immer gerne gesehen!«
»Danke, Frau Barbara. Und tragt meinem Vater nichts nach.«
»Gewiss nicht. Es ist lange vergessen.«
Noch summte es im Konvent wie im Bienenstock, alle redeten miteinander, um die Aufregung der letzten beiden Tage zu bewältigen. Einzig Almut hatte wenig Lust, darüber zu sprechen. Sie zog sich ihren Arbeitskittel über und rührte einen Eimer Mörtel an, um weiter am Schweinestall zu bauen. Die Steine waren schwer und unhandlich, die Wand inzwischen höher als sie selbst, und als sie die letzte Reihe gemauert hatte, schmerzten ihr die Arme. Aber der größte Teil der Arbeit war getan. Als Nächstes galt es, das Dach aufzuschlagen, und sie nahm sich vor, ihren Vater zu bitten, den Beginen das Bauholz dazu zu spenden. Am Brunnen wusch sie sich Arme und Hände und wandte sich der Küche zu. Aus dem Backofen an der Außenwand stieg der verlockende Duft frischen Brotes auf, und mit knurrendem Magen rief Almut nach der Köchin.
»Hier bin ich.«
Kurz angebunden und sauertöpfisch wie immer stellte Gertrud ihr eine Schale Buchweizengrütze, Butter und Sahne auf den Tisch und knetete am anderen Ende weiter ihren Teig. Almut holte sich einen Becher mit Apfelwein dazu, doch als sie ihre Schüssel geleert hatte, war sie noch immer hungrig.
»Kann ich noch etwas Brot und Käse haben, Gertrud?«
»Mh. Hast ja geschuftet heut Morgen!«
Die Köchin stellte ihr ein Holzbrett mit warmem Roggenbrot und einen Kanten weichen, goldgelben Käse hin und legte zwei süße Wecken dazu.
»Danke, Gertrud. Aber die Wecken gibst du besser Trine.«
»Ist mit denen was nicht in Ordnung?«
»Nein, nein, sie sind wunderbar. Nur habe ich eine Buße auferlegt bekommen. Wegen der Ketzereien während der Messe!«
»Dann bist du billig davongekommen!«
Kauend nickte Almut und konnte schon wieder ein wenig über sich selbst lachen.
Gertrud knetete unablässig weiter, doch es schien, als betrachtete sie den zähen Teig als ihren Feind, den es zu würgen und zu zermalmen galt.
»Sag mal, bist du wütend auf mich? Die Brote bekommen ja blaue Flecken, wenn du sie weiter so bearbeitest«
Gertrud klatschte vier fertige Laibe auf das Blech und trug sie zum Ofen. Als sie wiederkam, setzte sie sich neben Almut und seufzte.
»Ich muss dir etwas sagen«, begann sie.
»Na, dann tu es.«
»Du bist böse auf Elsa, nicht wahr?«
Almut wusste, dass die Apothekerin und die Köchin sich schon sehr lange kannten. Aber darauf mochte sie jetzt keine Rücksicht nehmen.
»Sie hat sich ziemlich furchtbar verhalten. Sie hat mich beschuldigt, und sie hat mir Dinge unterstellt, von denen sie genau wusste, dass sie nicht wahr sind. Soll mir das gleichgültig sein?«
»Nein. Das nicht. Aber sie hat ihre Gründe dafür.«
»Was für einen Grund mag sie gehabt haben, mich dem Inquisitor auszuliefern? Also das musst du mir
Weitere Kostenlose Bücher