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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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voller gesalzener Heringe mit lautem Gepolter entladen. Trine schnüffelte erfreut die vielfältigen Gerüche. Almut hingegen nahm auch die mannigfaltigen Geräusche wahr. Das Rufen der Schiffer, das Knarren der mächtigen Holzschiffe, der bulligen Oberländer mit dem hochgezogenen Heck, die den Rhein aufwärts befuhren, und der schweren Niederländer, die Richtung Holland reisten. Obwohl die Stadt Köln in der Acht war, scherte es offensichtlich niemanden, dass daraus ein Handelsverbot erwuchs. Ein buntes Sprachengemisch herrschte am Rheinufer, fast alle Dialekte der deutschen Sprache konnte man hören, aber auch Niederländisch, Fränkisch und die englische Zunge. Auch in vulgärem Latein und Italienisch wurde geschwatzt, geschrieen und geflucht.
    »Komm, wir setzen uns ein wenig an den Bootssteg und sehen den Schiffen zu.«
    Gemeinsam nahmen sie auf den warmen Holzplanken Platz und ließen die Beine baumeln. Almut genoss die Sonnenstrahlen und den Müßiggang. Ein gewaltiges Floß glitt langsam auf seinem Weg vom Schwarzwald nach Holland vorüber, zwei junge Männer in einem flachen Nachen fischten in der Nähe des Ufers, und von Deutz her kamen Ruderboote über den Fluss. Almut erkannte schwarz gekleidete Mönche in ihnen. Sie hatten die Kapuzen über den Kopf gezogen, und die Boote hielten auf den Anlegeplatz zu. Die Mönche legten an, erklommen den Bootssteg und gingen an ihr vorbei.
    »Müßiggang, sagt man, ist aller Laster Anfang, Begine. Mit welchem der zahlreichen Laster wollt Ihr gerade beginnen?«
    Einer der Benediktiner war stehen geblieben.
    »Mit dem der Widerrede, Pater Ivo.«
    »Das braucht Ihr nicht zu beginnen, das besitzt Ihr schon.«
    Almut gab keine Antwort. Sie war sich nicht sicher, was sie von dem Priester halten sollte. Er hatte ihr das Gottesurteil eingebrockt, vielleicht zu ihrem Schutz. Aber er war nicht erschienen, als sie um sein Kommen gebeten hatte und wirklich seinen Beistand benötigt hätte.
    »Habt Ihr Eure Zunge verschluckt?«
    Almut zog die Beine an und stand mit einem Schwung auf, um nicht zu ihm aufsehen zu müssen. Als sie ihm gegenüberstand und das Gesicht unter der dunklen Kapuze sah, erschrak sie. Pater Ivo sah grau und todmüde aus. Ihr Mitgefühl überwog ihr Misstrauen.
    »Was habt Ihr getan, dass Ihr so erschöpft seid?«
    »Wusstet Ihr nicht, dass es in Deutz wieder gebrannt hat?«
    »Nein, davon hörten wir nichts. Waren es wieder die städtischen Truppen?«
    »Ja, wie vor einem Monat schon einmal. Doch diesmal gingen auch unser Kloster St. Heribert, die Abteikirche und die Pfarrkirche in Flammen auf. Wir sind am Sonntag gewarnt worden und haben seither alles, was von Wert ist, nach Siegburg geschafft.«
    »Ist jemand zu Schaden gekommen?«
    »Es sind keine Menschenleben zu beklagen, nur ein paar hässliche Verletzungen und eine Menge rauchender Trümmer.«
    »Darum also sind die erzbischöflichen Truppen vor den Stadttoren abgezogen.«
    »Sie waren in Deutz ohne Nutzen.«
    »Dieser Streit zwischen dem Erzbischof und der Stadt ist so unsinnig!«
    »Wie wahr, Begine. Es hält einen von den wichtigen Dingen ab, die zu tun sind. Begleitet Ihr mich ein Stück zum Kloster, oder habt Ihr einen anderen Weg zu gehen?«
    »Ich begleite Euch.«
    Almut beugte sich zu Trine, die selbstvergessen auf den Rhein hinausstarrte. Gehorsam sprang sie auf und gesellte sich an ihre Seite. Pater Ivo jedoch ignorierte sie.
    »Erzählt mir, gibt es Neuigkeiten, die den Tod meines jungen Schützlings anbetreffen?«
    »Die gibt es in der Tat, Pater. Wusstet Ihr, dass sich Jean am Morgen seines Todestages schon so gesund gefühlt hat, dass er seine Arbeit unbedingt wieder aufnehmen wollte?«
    »Nein, das ist mir neu. Das bedeutet ja wohl, dass er in der Nacht, in der er sich im Lagerhaus herumgetrieben hat, keinen Schaden erlitten haben kann.«
    »Das bedeutet es. Er muss im Laufe des Dienstags, irgendwann zwischen Prim und Non, ein Gift zu sich genommen haben.«
    Pater Ivo ging langsam und etwas gebeugt. Die anstrengenden vier Tage und Nächte hatten an seinem Körper Spuren hinterlassen, doch sein Verstand funktionierte noch immer recht gut.
    »So wird jemand aus dem Haushalt der de Lipas oder einer, der Zutritt zu ihm hatte, etwas in die Hustenmedizin gemischt haben.«
    »Nein, die war wirklich harmlos, wie sich gezeigt hat.«
    »Ist sie denn wieder aufgetaucht? Ich erinnere mich, dass Ihr das Fläschchen nicht zurückerhalten hattet.«
    »Frau Dietke hatte es an sich genommen.«
    »Und

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