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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Flüssigkeit. Sie war leichte Würzweine gewöhnt, nicht aber die schweren Gewächse südlicher Länder und wollte dem Getränk mit Vorsicht begegnen. Sie tat gut daran. Selbst die winzige Menge, die sie genommen hatte, schmeckte dermaßen furchtbar, dass sie sie kaum herunterschlucken konnte. Tilmann hingegen hatte einen herzhaften Schluck getan und versprühte jetzt, wie schon einmal Bruder Notker, den Wein voller Ekel aus seinem Mund.
    »Was ist denn das für ein Gesöff!«, brüllte er und sprang auf, um den Cellerar an der Kutte zu packen und ihn mächtig zu schütteln.
    »Sehr interessant!«, flüsterte Almut Aziza zu.
    Der durchgeschüttelte Mönch versuchte, sich zu befreien, und stöhnte dabei: »Aber das war Wein aus Eurem Fass!«
    »Wer’s glaubt. Den Roten hast du selbst gesoffen, gib’s zu!«
    »Niemals! Seht es Euch selbst an. Frisch angestochen habe ich es eben!«
    Zeternd und schimpfend entfernten sich die beiden und verschwanden in den dunklen Tiefen der Kellergewölbe.
    Aziza und Almut sahen sich viel sagend an.
    »Könnte sich lohnen, ihn zum Reden zu veranlassen.«
    »Schafft Ihr das alleine, Schwester? Ich möchte mich nämlich mal mit unserem Wirt unterhalten! Vielleicht hat er auch noch etwas zu verraten.«
    »Tut das, und fragt vor allem nach Jeans Freunden.«
    Aziza stand auf, als Tilmann mit einem neuen Krug zurückkam und einen schweren süffigen Roten einschenkte, dem Almut trotz aller Vorsicht nicht widerstehen konnte. Sie trank, langsam zwar, aber stetig, ihren Becher leer. Köstliche Wärme breitete sich in ihrem Magen aus, und die düstere Schenke erschien ihr danach gar kein so ungemütlicher Ort mehr zu sein.
    »Woher hat der Bruder Cellerar einen solch köstlichen Wein? Den bauen die Mönche doch sicher nicht selbst hier an?«, fragte sie Tilmann, der in derselben Zeit schon seinen zweiten Becher geleert hatte.
    »Aber nein, solche Reben gedeihen hier nicht. Das Fass, aus dem er stammt, ist eine Spende eines großzügigen Wohltäters!«
    »Sehr großzügig, wahrhaftig. Der muss einen Batzen Geld kosten!«
    »Das tut er, meine Hübsche!«
    »Und was war mit dem schrecklichen Zeug, das er uns zuvor ausgeschenkt hat?«
    »Übel, nicht wahr. Pantschwein der schlimmsten Sorte. Ich frage mich, wer ihm den angedreht hat.« Tilmann grinste über das ganze Gesicht. »Er wird sich einen zuverlässigeren Lieferanten suchen müssen. Der Burgunder ist schlampig geworden! Ich werde ihm einen neuen empfehlen.«
    Tilmann goss sich nach und schenkte auch Almut den Becher wieder voll. Aziza hatte inzwischen den Cellerar um den Finger gewickelt und hörte ihm mit einem schmelzenden Lächeln zu.
    »Ah, seid Ihr auch im Weinhandel tätig?«, fragte Almut unschuldig.
    »So dann und wann. Aber ich beliefere nur ganz besondere Kunden.« Tilmann kam in prahlerische Stimmung und begann, über seine findigen Geschäfte zu reden. Wenn man ihm glauben konnte, verkehrte er in den angesehensten Kreisen der Bürgerschaft und des Klerus. Ratsherren waren seine zufriedensten Kunden, reiche Fernhändler lauschten andächtig seinem Rat, Ritter und Adlige vertrauten ihm ihre finanziellen Probleme an, und selbst der Erzbischof schien sein intimer Freund zu sein.
    Almut heuchelte Bewunderung und nippte weiter an ihrem Wein. Der Prahlhans erheiterte sie. Aber diese Erheiterung schlug allmählich in Unmut um, als er anfing, näher zu rücken und ihre Knie zu tätscheln.
    »Lasst das bleiben!«, wehrte sie die Annäherung ab, doch es bedurfte deutlicherer Zeichen als bloßer Worte, Tilmann abzuwehren. Es artete in ein regelrechtes Gerangel aus. Er hatte den Arm um ihre Taille gelegt und zupfte an den Nesteln ihres Unterkleides, wobei er gleichzeitig versuchte, sie zu küssen. Angeekelt wandte sie den Kopf ab und bemühte sich, die dreisten Hände von ihrem Kleid zu entfernen. Es gelangt ihr nicht, ihre kratzenden Finger fing er am Handgelenk ab, und auch ein Ellbogenstoß gegen seine Rippen missglückte ihr. Sie war zwar eine kräftige Frau, aber eingeklemmt zwischen Tisch und Wand hatte sie wenig Möglichkeiten, sich erfolgreich zu wehren.
    Es entging ihr bei diesem Hin und Her mit dem angetrunkenen Tilmann, dass ein weiterer Gast eintraf und die Auseinandersetzung von der Tür aus beobachtete. Erst als sie sich ganz plötzlich von ihrem Angreifer befreit sah, bemerkte sie ihn. Tilmann hingegen nahm ihn nicht wahr, denn er lag völlig benommen zu ihren Füßen.
    »Ich hoffe, das war in Eurem Sinne, meine Dame?«, fragte

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