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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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mich nachzählen –, dass er Dienstag vor einer Woche abgereist ist. An Jeans Todestag.«
    »Kann er Zutritt zu de Lipas Haus gehabt haben?«
    »Warum nicht. Er brüstete sich damit, mit vielen bekannten Bürgern Geschäfte zu machen. Warum nicht auch mit de Lipa? Wenn er im Haus bekannt ist, wird er eingelassen worden sein. Und wenn er es gewollt hätte, wäre es ihm sicher auch möglich gewesen, zu Jean vorzudringen.«
    »Der Wirt kannte Jean. Und er ließ erkennen, dass er etwas mit den Weinlieferungen zu tun hatte. Auf jeden Fall konnte er sich erinnern, ihn etliche Male mit Tilmann zusammen gesehen zu haben.«
    »Umso eher wäre es möglich, dass er den Jungen in de Lipas Haus aufgesucht hat.«
    »Oder dieser ihn. Ihr sagtet doch, es sei ihm am Dienstagmorgen besser gegangen.«
    »Richtig. Es muss noch nicht einmal im Haus geschehen sein.«
    »Der Mord?«
    »Der Mord. Nur, Aziza… er hatte zwar die Gelegenheit, aber warum wollte er ihn aus dem Weg schaffen?«
    »Ihr stellt Fragen!«
    »Ich weiß. Ich kann sie mir ja selbst nicht beantworten. Genauso wenig wie die, warum Jean sich auf diese krummen Geschäfte eingelassen hat.«
    »Gewinne?«
    »Wohl kaum, er stammt aus wohlhabendem Haus. Und außerdem heißt es, er sei de Lipa gegenüber sehr loyal gewesen.«
    »Dennoch hat er Wein gepantscht. Wieso ist das de Lipa nie aufgefallen?«
    »Man müsste herausfinden, wie er es gemacht hat… Aziza, der schlechte Wein war in den gleichen Fässern wie der gute Burgunder. Offensichtlich hat er ihn ausgetauscht, umgegossen oder so.«
    »Oder die Fässer selbst wurden ausgetauscht. Keine schlechte Idee. Liefert – sagen wir – zehn Fässer minderwertigen Weins in Burgunderfässern bei de Lipa an. Ein dort beschäftigter Mitwisser nimmt sie an, tauscht sie bei Nacht und Nebel gegen Fässer mit gutem Wein aus und lässt die Fuhre tags darauf wieder abholen. Und schon könnt Ihr zehn Mal prächtige Gewinne machen.«
    »Allerdings müsste der Lieferant an die leeren Burgunderfässer kommen, um sie mit Pantschwein zu füllen.«
    »Für einen Mann wie Tilmann ist das sicher kein Problem. Er beliefert seine Kunden, er holt dort auch die leeren Fässer wieder ab.«
    »In der Menge?«
    »Auch nicht schwierig. Große Haushalte, Klöster, Ratsherren…«
    »Und der Erzbischof selbst!«
    »Der in Bonn sitzt und wahrscheinlich auf die Belieferung durch Kölner Weinhändler verzichten muss.«
    »Und dankbar dafür ist, wenn ein Geschäftemacher wie Tilmann ihm eine Fuhre Burgunderwein aus der Stadt liefert. Da wird er nicht knauserig sein.«
    »Ein gutes Geschäft. Tilmann investiert in billigen Wein, fügt dem ein paar Gewürze und sonstige Zusätze hinzu, so dass er groben Kehlen wie feuriger Burgunder vorkommt, lässt diese Fässer gegen guten Wein tauschen und verkauft sie dann an den, der das meiste zu zahlen bereit ist. Ein oder zwei jedoch zweigt er für sich ab. Und irgendwie ist bei der letzten Lieferung dabei etwas schief gelaufen, so dass er jetzt selbst ein Fass billigen Weins erhalten hat. Jean war schließlich krank… Ich denke, so wird es gelaufen sein! Schwester, wir haben da eine heiße Sache aufgedeckt!«
    »Schon möglich, Aziza. Nur die beiden wichtigen Fragen sind noch immer unbeantwortet. Nämlich, warum hat sich Jean auf dieses Geschäft eingelassen? Und warum sollte Tilmann seinen Lieferanten umbringen?«
    »Fragt doch nicht immer warum!«
    »Warum?«
    Aziza kicherte und gähnte dann lange.
    »So kommen wir nicht weiter. Was werdet Ihr nun tun?«
    »Darüber schlafen und morgen mit meinem Beichtvater sprechen.«
    »Ist das Euer Ernst? Fühlt Ihr Euch so sündig nach diesem kleinen Ausflug in die Welt?«
    »Nach einer Nacht in dieser Lasterhöhle!«
    »Oh, Schwester!«
    »Nein, nein, seid unbesorgt. Mein Gewissen ist zwar nicht ganz rein, aber Pater Ivo ist nicht nur mein Beichtvater, sondern war auch der von Jean. Und er ist selbst sehr daran interessiert, herauszufinden, wer seinen Schützling umgebracht hat.«
    »Der Mönch, der Euch in der Kirche für unschuldig erklärt hat?«
    »Derselbe!«
    »Ist er ein nachsichtiger Beichtvater?«
    »Bislang war er es.«
    »Ihr werdet sowieso nicht viel zu beichten haben, bei Eurem keuschen Leben. Warum, Schwester, habt Ihr Euch dazu entschlossen?«
    »Weil ich nicht wieder heiraten wollte. Weil mir so weder Vater, Mann, Bruder noch Schwager Vorschriften machen können.«
    »Gute Gründe. Dieselben, aus denen ich mir das Leben ausgesucht habe, das ich führe! Wir

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