Der dunkle Spiegel
Handwerker saßen bei dem trockenen Wetter mit ihrer Arbeit vor den Türen. Almut fragte einen eifrig Leder nähenden Gesellen nach Aziza und wurde an ein Haus am Ende der Gasse verwiesen.
»Nanu, habt Ihr dem keuschen Leben den Rücken gekehrt, Schwester?«, empfing sie die junge Frau an der Tür.
»Warum sollte ich? Nur weil ich an Eure Tür klopfe?«
»Wisst Ihr nicht, was sich dahinter verbirgt?«
»Es würde mich Wunder nehmen, wenn sich ein Teich voller grüner Frösche dahinter verbergen würde. Habt Ihr mit größeren Überraschungen aufzuwarten?«
»Ich fürchte, ich muss Euch enttäuschen. Tretet ein, Schwester.«
Ihre einladende Handbewegung schloss auch Trine ein, die in atemloser Verehrung zu ihr aufschaute.
Das Haus war wie üblich aufgeteilt, ein großer Raum im Erdgeschoss, in dem sich auch die Feuerstelle befand, und eine Treppe, die nach oben in die Wohnräume führte. Eine alte Magd schlurfte mit einem Schaff Wasser herein und füllte einen Kessel über dem Herd. Doch ansonsten wirkte die Diele ganz anders als in den Häusern, in denen die Handwerker sie als Werkstätte nutzten. Aziza hatte diesen Raum wohnlich gestaltet. Als Erstes fiel Almut ein großer Holzrahmen auf, der mit einem halbfertigen Teppich bespannt war. Bunte Wolle lag in Körben bereit, und man sah, dass die Besitzerin des Hauses fleißig daran knüpfte. Zwei farbenprächtige Teppiche hingen bereits an der Wand, einer lag auf dem Boden vor einer gepolsterten Bank. Die Muster waren geometrisch, Achtecke und Sterne in Rotbraun, Blau, Gelb und Schwarz; den Rand bildeten Bordüren mit stilisierten Pflanzen. Trine stand staunend davor und befühlte vorsichtig die Textur der Arbeiten.
»Sind das maurische Muster, Aziza?«
»Ich habe sie von meiner Mutter gelernt. Daher werden sie wohl maurisch sein. Wollt Ihr einen Teppich kaufen?«
»Nein, so schön sie auch sind. Ich bin gekommen, um Euch meinen Dank zu sagen.«
»Wofür? Ich habe nichts getan, um Eure Dankbarkeit zu erringen.«
»Doch, Ihr habt mir geholfen, als ich verzagt war. In der Kirche!«
»Oh, das… Und nur deshalb seid Ihr gekommen?«
»Nein, auch aus einem anderen Grund. Ihr habt mir angeboten, mich an einen Ort zu begleiten, den ich alleine nicht aufsuchen würde.«
»Und nun ist es notwendig geworden?«
»Ja, denn Folgendes hat sich ergeben…«
Almut schilderte, was sie inzwischen erfahren hatte, und Aziza nickte dazu.
»Ich denke, es ist ungeheuer wichtig, herauszufinden, wer den Jungen zu der Pantscherei angestiftet hat«, schloss sie ihren Bericht.
»Ihr meint also, derjenige müsste auch Zugang zum Haus des Weinhändlers haben?«
»Warum nicht? Ein Kunde, ein anderer Händler, ein Lieferant. Jemand, der de Lipas Ruf ruinieren will. Ich weiß nicht, ob der Besuch der Schenke uns weiterhilft, aber wenn ich nichts unternehme, erfahre ich auf gar keinen Fall etwas.«
»Und außerdem reizt es Euch, ein wenig weltliche Lustbarkeiten zu genießen.«
»Kaum solche.«
»Oho, gehobenere Ansprüche, Schwester? Nun gut, kommt nach dem Vesperläuten vorbei. Und am besten sagt Ihr, Ihr bliebet die ganze Nacht fort. Ist das möglich?«
»Ich darf meine Eltern besuchen und bleibe dort manchmal über Nacht. Es wird sich machen lassen.« Obwohl sie so selbstbewusst gesprochen hatte, bedeutete es für Almut doch allerlei Aufwand, sich für den Abend und die Nacht aus dem Konvent beurlauben zu lassen, ohne ihre wahre Absicht zu enthüllen. Die dazu erforderlichen Lügen bereiteten ihr ein gebührend schlechtes Gewissen. Aber schließlich stand sie pünktlich wieder vor Azizas Tür.
»Dann wollen wir aus der Begine mal einen normalen Menschen machen. Folgt mir, Schwester. Ich habe schon ein Kleid für Euch herausgesucht.«
Seit vier Jahren trug Almut nun die schmucklose graue Tracht, doch sie hatte nicht verlernt, wie man derlei reich verzierte Gewänder anlegte. Aziza sah ihr interessiert zu und meinte dann: »Ihr seid keine Schönheit, Schwester, dafür habt Ihr zu viele Flecken im Gesicht. Aber wenn Ihr Euch ein wenig herausputzt, seht Ihr recht hübsch aus. Nun löst Eure Haare und legt dieses Schapel darüber.«
Sie reichte Almut einen aus Draht und Stoff gewundenen Reif und einen hauchdünnen Schleier.
»Aber ich kann doch nicht mit offenen Haaren…«
»Sonntag konntet Ihr auch!«
Die plötzliche Erkenntnis ließ Almut die Hand vor den Mund schlagen: »O Aziza, wir werden das alles vergessen müssen!«
»Nanu, packen Euch moralische
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