Der dunkle Spiegel
aber Almut hielt ihn auf und verwickelte ihn in ein Gespräch über Meister Michael und den Dom, dem er sich dann doch nicht entziehen konnte.
»Und außerdem, Herr Vater, habe ich in unserem Konvent einen Stall gebaut. Den habt Ihr sicher gesehen, als Ihr neulich dort wart.«
»Du hast einen Stall gebaut?«
»So schwierig war das nicht. Wisst Ihr, es stand da ein altes Gemäuer, das mir die Steine lieferte, und das Bisschen Mörtel konnten wir bezahlen. Aber, Herr Vater – das Holz für das Dach und die Schindeln, also wenn Ihr die stiften würdet, da könntet Ihr gewiss sein, dass wir mindestens zwei Jahrzeiten für Euch beten werden.«
»Ein schlechter Handel, Tochter. Wenn ich das dem Domkapitel überlasse, bekomme ich einen Ablass von zwei Monaten, und eine solche Verkürzung der Zeit im Fegefeuer ist allemal mehr wert als einmal im Jahr ein paar Gebete.«
»Ja, aber, Herr Vater, erwartet Ihr denn, ins Fegefeuer zu kommen, bei Eurem tadellosen Lebenswandel? Ich meine, ich werde niemandem etwas von der maurischen Hure erzählen.«
»Tochter!« Grimmig drohte Meister Conrad mit dem Zeigefinger. »Aber schon gut, ihr sollt euer Dach bekommen. Ich schicke in den nächsten Tagen einen meiner Zimmerleute vorbei, der die Maße nimmt.«
»Vielen Dank auch!«
Als sie sich schließlich von ihm verabschiedete, lächelte er ihr zu und meinte: »Bist schon ein gutes Mädchen, Almut. Tapfer wie deine Mutter! Warte einen Moment. Ich will dir noch etwas geben.«
Er stapfte die Stiegen zu den oberen Zimmern hinauf und kam nach einer kurzen Weile mit einem kleinen Gegenstand in der Hand zurück.
»Schau, das hat deine Mutter früher oft getragen. Ich weiß nicht, ich behielt es wohl als Erinnerung. Aber was soll so ein hübscher Anhänger in den Kisten und Kästen eines brummigen alten Mannes. Trag du es, Almut. Das kannst du sicher auch in deinem jetzigen Stand.«
Ein zierliches Silberkreuz baumelte an einer dünnen Kette und glänzte im Sonnenschein. Es war sehr einfach gearbeitet, ohne glitzernde Steine und Schnörkel. Nur in der Mitte war eine kleine Rose eingraviert.
»Es ist bezaubernd, Vater. Ich danke Euch sehr.«
20. Kapitel
Magda von Stave hatte es einrichten können, dass Almut sie zu der Verlobungsfeier in de Lipas Haus begleiten durfte. Es sollte eine prächtige Feierlichkeit werden, die der Weinhändler ausrichtete. Das Wetter spielte ebenfalls mit, und an dem warmen Sommerabend fand sich eine ausgewählte Gästeschar in seinem Haus ein. Ohne Neid bewunderte Almut die kostspieligen Gewänder und den blinkenden Schmuck, stellte fest, dass die doppelhörnigen Hauben durchaus auch von anderen feinen Damen getragen wurden, und erfreute sich an dem Blumenschmuck und den Kerzen.
»Trine hätte ihren Spaß daran!«, flüsterte sie der Meisterin zu. »Überall diese Blüten und Duftkerzen! Irgendwie ist es Frau Dietke mit all dem fast gelungen, den scheußlichen Geruch der Kloake zu überdecken.«
»Ich rieche sie trotzdem. Na ja, bei dem warmen Wetter!«
Doch die Nase des Menschen ist gutwillig und gewöhnt sich auch an üble Gerüche, und als die Speisen aufgetragen wurden, hatte Almut sie längst vergessen. Ein gefülltes Ferkel, glänzend braun und vollständig samt Schnauze und Füßen wurde auf den Tisch gestellt. Es gab Eiersuppe, gelb von Safran, gebratene Hühner mit Zwetschgen, in Öl gebackene Fische, Äschen und Forellen, Krebsfleisch in Aspik und gesottenen Aal in Pfeffersauce. Auch sauer eingelegte Fische, Wildbret und eine Rinderlende wurden gereicht, dazu stark gewürzte Saucen und das weißeste Brot, das Almut je gegessen hatte. Auch die Tische selbst zeigten de Lipas Reichtum. Sie waren mit reinen Leinentüchern bedeckt, und vor jedem Gast stand ein Trinkbecher aus durchscheinendem grünen Glas, besetzt mit dicken Nuppen. Kannen mit duftendem Wasser standen bereit, damit sich die Esser die Hände abspülen und mit feinen Tüchern abtrocknen konnten. In der Mitte des Tisches aber prangte der silberne Tafelaufsatz in Form eines Schiffes, der das Salzfass barg.
Berge von Gebäck wurden hereingebracht. Süße und würzige Kuchen, Pasteten und Wecken, aber auch Früchte, Nüsse in Honig und allerlei exotisches Konfekt. Und vor allem floss, wie es sich im Hause eines Weinhändlers gehörte, der kostbarste und süffigste Wein in Strömen.
Almut beteiligte sich wenig an den Gesprächen um sie herum, doch sie beobachtete aufmerksam und lauschte den einzelnen Rednern. Waltruth, die Braut, sah
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