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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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verabschiedete sich voller Herzlichkeit von ihrer Schwester.
    Anne, die behäbige Magd, öffnete die Tür und machte ein ängstliches Gesicht, als sie Almut und Trine sah.
    »Ist etwas geschehen, junge Herrin? Ihr kommt ohne Ankündigung, und Frau Barbara hat Besuch.«
    »Es ist nichts geschehen, Anne. Ich war nur gerade hier in der Gegend und dachte, ich schaue eben mal herein.«
    »Nun, tretet auf jeden Fall ein. Ich will Frau Barbara Bescheid geben. Die Frau Helgart ist nämlich hier. Aber die Kinder werden sich freuen, Euch zu sehen.«
    Almut folgte der unablässig brabbelnden Magd und sprach ein leises Dankgebet an Maria, die offensichtlich auch ihre Bitte nach Unterstützung im Fall Jean erfüllt hatte, denn die Schwester des Herrn de Lipa konnte ihr gewiss nützlich sein. Sie wurde in die Stube geführt. Hier saßen ihre Stiefmutter und die Besucherin plaudernd beisammen und stichelten nicht nur an ihren Handarbeiten.
    »Almut, wie schön, dich zu sehen. Helgart, das ist meine Stieftochter Almut, die als Begine am Eigelstein lebt.«
    De Lipas Schwester war eine schlanke, beinahe knochige Frau mit herben, doch freundlichen Gesichtszügen. Sie wirkte vornehm, war jedoch nicht auffällig gekleidet. Das allerdings konnte man von Frau Barbara nicht behaupten. An dieser Stelle versagte Marias Gnade wieder einmal, und Almuts Zunge ging mit ihr durch.
    »Ah, Frau Barbara, habt Ihr Euer Leben jetzt dem heiligen Kornelius geweiht?«, fragte sie nach der Begrüßung mit gespielter Ehrfurcht. »Werdet Ihr nach Aachen pilgern, um an seinen Reliquien zu beten?«
    »Wie kommst du denn darauf, Almut?«
    »Nun, was sollte Euch ansonsten bewogen haben, diesen wunderlichen Kopfputz zu tragen? Die doppelten Hörner Eurer Haube können doch nur dem Patron des Hornviehs gelten, oder?«
    »Almut!«
    Empörung schwang in Frau Barbaras Ausruf mit, doch leider fiel ihr jetzt auch noch die Besucherin in den Rücken und meinte lachend: »Ich habe aus Höflichkeit geschwiegen, aber Eure Tochter hat nicht ganz Unrecht, Barbara. Die Haube sieht etwas bedrohlich aus.«
    »Sie ist das Neueste, was man am burgundischen Hof trägt.«
    »Seltsam, und ich dachte, da setzt man nur den Männern Hörner auf…«
    »Steht sie mir wirklich nicht?«
    »Ihr seht immer hübsch aus, Stiefmutter, egal, was Ihr tragt. Und wenn das denn die neueste Mode ist, dann werden demnächst viele doppelt gehörnte Damen durch Köln laufen.«
    Almut drehte sich zu der Magd um und bat sie, Trine zu den Kindern zu schicken, deren Stimmen sie im Hof hörte, setzte sich dann zu den beiden Frauen auf die Bank und holte auch ihre Handarbeit aus dem Korb hervor.
    Das Gespräch hatte sich um Helgarts Tochter Waltruth gedreht, deren Verlobungsfeier anstand, und die Hochzeit, die im Herbst gefeiert werden sollte. So fiel es Almut leicht, ihre Fragen über Dietke und auch Jean einfließen zu lassen.
    »Sie nimmt es natürlich zum Anlass, sich neue Kleider machen zu lassen, als hätte sie nicht schon ganze Truhen voll.« Frau Helgart schüttelte über diesen Unverstand den Kopf.
    »Sie hilft ihrem Mann damit, denke ich«, warf Almut ein.
    »Sie ist eitel!«
    »Das ist sie sicher, aber es zeigt wahrscheinlich auch, dass sie sich bei ihm beliebt machen möchte, indem sie die Gäste mit ihrem Reichtum beeindruckt.«
    »Das mag wohl stimmen. Manchmal halte ich meine Schwägerin für ein selbstsüchtiges Huhn, aber dennoch, sie war sehr glücklich, als es hieß, dass Hermann um sie anhalten würde. Sie hat ihn sogar anderen Bewerbern vorgezogen.«
    »Sie muss ja auch schon verhältnismäßig alt gewesen sein, als sie heiratete«, sinnierte Almut.
    »Zwanzig war sie, und nicht ihre eigene Schuld war es. Es ist ein tragisches Schicksal die Ursache dafür, dass sie so lange warten musste.«
    »Was ist geschehen, Helgart? Jetzt habt Ihr Andeutungen gemacht, nun müsst Ihr auch die ganze Geschichte erzählen«, bat Frau Barbara, und Almut nickte zustimmend. Die Besucherin ließ sich nicht lange bitten.
    »Dietke ist die jüngste Tochter einer wohlhabenden Händlerfamilie, ein Nachkömmling, vielleicht ein wenig unerwünscht. Sie hat noch zwei Schwestern, die schon lange verheiratet sind, und einen Bruder, der beinahe zwanzig Jahre älter ist als sie. Er hat sie als Kind schon geliebt und verhätschelt. Sie ist auch ein ganz süßes Geschöpfchen gewesen. Ich kann mich noch an sie als kleines Mädchen erinnern. Aber schon in jungen Jahren war sie ein eitler Fratz. Man hat sie dem Sohn eines

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